Wildes Lied der Liebe
sich für das Fest umgezogen, lange bevor es Zeit war, in die Stadt zu fahren. Caney und Megan waren den ganzen Nachmittag mit ihrer Frisur beschäftigt gewesen, und Christy hatte das gelbe Seidenkleid mit dem gewagten Ausschnitt und dem Spitzenbesatz geändert, sodass es nun ihre schlanke Figur betonte. Caney trug dagegen ihr »Kirchenkleid« aus schwarzem Bombazine, dessen Strenge ein wenig abgemildert wurde durch die Kette, die ihr verstorbener Mann Titus ihr einst geschenkt hatte. Mit ihrem roten Haar, der milchweißen Haut und den grünen Augen wirkte Megan bezaubernd in dem weinroten Samtkleid, das sie ebenfalls aus den Beständen der Mutter gerettet hatten.
»Skye und ich brennen darauf, endlich Mr. Vigils Haus von innen zu sehen«, gestand Megan voller Vorfreude auf den Abend. Es war lange her, dass Christy und sie die Gelegenheit gehabt hatten, eine Party zu besuchen. »Es sieht von außen so vornehm aus.«
»Ja, so ist es wohl«, erwiderte Caney nachdenklich, sah jedoch Christy an, während sie sprach, nicht Megan. »Ich vermute, das feine Bett in Mr. Vigils Haus ist nachts mächtig kalt, wenn es nicht von Liebe gewärmt wird.«
Christy blickte sie warnend an.
»Wie meinst du das?«, fragte Megan verblüfft. Als sie jedoch keine Antwort bekam, fuhr sie fort: »Skye ist bis über beide Ohren in Mr. Vigil verliebt. Eigentlich sollte ich es niemandem erzählen, aber nun wisst ihr es.«
»Das wird vorübergehen«, meinte Caney, »und Miss Skye wird ihr Herz an einen anderen Mann verlieren:« Ihre Stimme klang fest, und noch immer blickte sie Christy durchdringend an. »Warum siehst du nicht einmal nach, wo Trace mit dem Wagen bleibt, Miss Megan? Ich will gewiss nicht zu Fuß in die Stadt laufen.«
Megan warf Christy einen Blick zu, legte sich dann ihre Stola um und ging hinaus, um nach Trace, Bridget, Skye und dem kleinen Noah Ausschau zu halten.
»Wenn du mir jetzt eine Predigt halten willst, Caney Blue«, warnte Christy die Freundin flüsternd, »überlege es dir besser noch einmal. Ich habe die Angelegenheit bereits mit Bridget erörtert und werde es mit dir gewiss nicht ein zweites Mal tun.«
Auf Caneys Zügen spiegelten sich Ärger und R esignation wider. »Du bist eine halsstarrige McQuariy, das bist du!«
»Nun, darüber sind wir uns doch schon längst einig geworden.«
Caney drohte ihr mit dem Finger. »Wage es ja nicht, so mit mir zu sprechen, junge Dame. Du willst nicht mit mir darüber reden, das ist dein gutes R echt. Aber du wirst mir zuhören!«
Gerade als sie mit einem lautstarken, wortreichen und überdies allzu bekannten Vortrag beginnen wollte, drangen von draußen die Geräusche von Pferden und einem Wagen herein. Megan eilte in die Hütte, und ihre Augen glänzten vor Aufregung. »Sie sind da!«, rief sie.
Christy hoffte, dass die überschwängliche Freude ihrer Schwester nichts mit Mr. Caleb Strand zu tun hatte, vermutete jedoch, dass der junge Mann tatsächlich der Grund dafür war, dass Megan an diesem Abend so besonders strahlend schön wirkte. »Dem Himmel sei Dank«, bemerkte Christy.
»Du brauchst nicht zu denken, dass diese Sache schon vergessen ist«, warnte Caney sie grimmig. »Das ist sie ganz und gar nicht.«
Auch Christy griff nach ihrer Stola, einer zarten Kreation aus antiker Spitze, die zwar sehr hübsch war, aber nur wenig Schutz vor der Nachtluft bot. Dann nahm sie die Laterne und ging zur Tür. »Wir wollen die Qualtroughs nicht warten lassen«, erwiderte sie fröhlich.
Die Ladefläche des Wagens war geräumig und mit frischem Stroh ausgelegt. Skye und Noah hatten sich bereits auf der duftenden Polsterung niedergelassen und strahlten vor Vorfreude auf den schönen Abend. Bridget saß neben Trace, und wieder schien es Christy, als ginge ein inneres Leuchten von ihrer Cousine aus.
Trace tippte sich zur Begrüßung lächelnd an den Hut und sprang vom Kutschbock, um den drei Frauen auf den Wagen zu helfen. Bridget hielt geschickt die Zügel, während ihr Mann erst Caney, dann Megan und schließlich Christy in das duftende Stroh hob. Noah richtete sich ungeduldig auf. »Wir kommen noch zu spät!«, rief er.
»Du liebe Güte«, bemerkte Christy und ließ sich neben Skye in der Mitte des Wagens nieder, »wir brauchen bestimmt eine halbe Stunde, um uns die Strohhalme aus dem Haar zu klauben.«
Bridget lachte leise, sagte jedoch nichts. Caney und Megan setzten sich an den Band der Ladefläche und ließen übermütig die Beine baumeln.
»Schätze, Mr. Hicks wird
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