Wildes Lied der Liebe
strich ihr über die Hand. »Falls irgendjemand daran zweifeln sollte.«
»Ja«, wiederholte Christy, »es ist offiziell. Sie war froh darüber, noch auf ihrem Platz zu sitzen, denn plötzlich fühlte sie sich schwach. Tu es nicht!, rief eilie Stimme in ihrem Kopf, und sie erkannte, dass es die ihre war.
Jake ließ sich auf ein Knie nieder und hielt Christys Hand fest. »Du wirst es nie bereuen, mich zu heiraten, Christy«, flüsterte er rau. »Das gelobe ich.«
Sie nickte nur. Tatsächlich hatte sie noch nicht einmal die Hochzeitsfeierlichkeiten hinter sich gebracht und bereute die ganze Angelegenheit bereits zutiefst. Unsicher stand sie auf.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Jake und blickte sie prüfend an.
»Ja, ich bin sehr ... glücklich.«
Er strahlte. »Dann bin ich es auch. Ich lasse gleich den Buggy anspannen und bringe dich selbst nach Hause, wenn du hier nichts mehr zu erledigen hast.«
»Ich würde mir gern das Haus noch einmal ansehen«, bemerkte sie leise. In diesem Augenblick der Verzweiflung brauchte Christy etwas, das sie an ihrem Entschluss festhalten ließ. »Wenn es dir nichts ausmacht, meine ich.«
Jake sah mehr als erfreut aus. »Aber natürlich nicht. Du wirst selbstverständlich einige Dinge geändert haben wollen.«
Christy wandte den Blick ab und blickte aus dem Fenster über die Straße zu Marshal Shaws Büro hinüber. »Vielleicht«, stimmte sie zu. Es klang beinahe wie ein Seufzer.
Jake nahm ihre Zurückhaltung nicht wahr. Zweifellos sah er wie die meisten anderen Menschen nur das, was er sehen wollte. »Es schickt sich wohl nicht, wenn wir uns ohne Begleitung zusammen im Haus aufhalten, bevor wir verheiratet sind. Aber die Tür ist nicht abgeschlossen, also kannst du einfach hineingehen.«
Sie nickte und verließ das Büro. Der Weg zu Jakes Haus war nur kurz, doch es kam Christy vor wie eine Strecke von hundert oder gar tausend Meilen, so schwer war ihr das Herz.
Christy betrat das Haus durch die Küche, einem riesigen Raum mit einem Wassertank, einem glänzenden Herd, einem Kiefernholztisch mit acht Stühlen und einigen verschließbaren Schränken. Der Fußboden aus geöltem Holz war zwar staubig, würde jedoch nach einer gründlichen Reinigung glänzen und sehr hübsch aussehen.
Von dort aus ging Christy ins Esszimmer, das sie bereits am Abend der Party gesehen hatte. Der große Salon lag direkt nebenan und war mit einem Kamin aus weißem Marmor ausgestattet, der mit Sicherheit ein Vermögen gekostet hatte. Der Salon war nur spärlich möbliert, und Christy versuchte sich vorzustellen, wie sie an Winterabenden am Feuer sitzen und nähen würde, während Jake sich in die Zeitung vertieft hatte. Sie vermochte es nicht.
Jakes Arbeitszimmer lag dem Salon gegenüber, und an den Wänden standen hohe, gut gefüllte Bücherregale. Es war sehr aufschlussreich und tröstlich zu sehen, dass Jake ihre Liebe zur Literatur teilte. Wenigstens hatten sie etwas gemeinsam und würden sich bestimmt auf solche gemeinsame Freuden stützen können.
Die Treppe war weit und elegant geschwungen, und die Stufen bestanden aus poliertem Holz. Christy stieg sie so langsam empor, als befände sie sich auf dem Weg zum Schafott. Vielleicht hatte Megan trotz ihrer Jugend R echt. Möglicherweise lud sie, Christy, zu viel auf ihre Schultern und beging dabei auch noch einen großen Fehler.
Der Korridor im Obergeschoss war lang, mit drei Zimmertüren auf jeder Seite und einer Doppeltür am anderen Ende. Christy warf einen Blick in jeden der Räume, die alle leer standen, bis sie schließlich vor dem Eingang zu Jakes Schlafzimmer stand.
Mit klopfendem Herzen drehte sie den Messingknauf herum und öffnete die Tür einen Spalt. Sie schloss die Augen und überschritt die Türschwelle. Es hätte Jakes Duft sein sollen, der in der Luft lag, doch stattdessen war es Zacharys.
Eine Träne rann über Christys rechte Wange. Jakes Bett war mit Schnitzereien verziert und stand auf einem kleinen Podest. Der Kamin war aus grün und grau geädertem Marmor, und mindestes zwei der Gemälde an der Wand stammten von europäischen Künstlern. Spitzengardinen zierten die Fenster, und an einer Wand standen zwei geräumige Kleiderschränke. Hinter einer Tür machte Christy eine erstaunliche Entdeckung: eine Badewanne und ein Wasserklosett. Am Fuße der Wanne sorgte ein R eservoir für heißes Wasser, wie sie auf schmerzhafte Weise erfuhr, als sie das klappernde, glitzernde Behältnis berührte und sich die Finger
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