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Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe 1 - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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herauskommen.
    Tante Isa gab mir einen sanften Schubs.
    »Du musst es vortragen«, sagte sie. »An dir hat sie sich schuldig gemacht.«
    Aber ich konnte nicht. Meine Zunge hatte sich in Stein verwandelt. In einen harten, glatten Stein, der kalt und schwer in meinem Mund lag und sich unmöglich bewegen konnte.
    Thuja hob eine Augenbraue und wiederholte ihren Befehl.
    »Clara Ask, lass den Rat deine Anklage hören!«
    Sag es!
    Das war die Stimme des Katers. Aber wo steckte er? Ich sah mich um und entdeckte ihn außerhalb des Baumkreises. Er lag zusammengerollt und kohlschwarz in dem weißen Schnee und peitschte mit dem Schwanz, als hätte er größte Lust, Chimära einfach ins Gesicht zu springen und sie mit Zähnen und Klauen zu zerfetzen.
    Der Stein in meinem Mund löste sich auf. Diese unerschrockene Katzenseele hatte irgendetwas … Ansteckendes. Der Kater hatte mein Blut in sich. Und vielleicht war auch ein bisschen Kater in mir?
    »Du musst nur erzählen, was gestern passiert ist«, flüsterte Tante Isa hinter mir.
    Ich nickte.
    »Zurzeit wohne ich bei Tante Isa«, setzte ich an.
    »Lauter«, brummte eine der männlichen Rabenmütter. »Kann das Mädchen den Mund nicht ordentlich aufmachen? Man hört ja nichts.«
    »Als meine Tante gestern nicht zu Hause war, kam Chimära«, fuhr ich fort und bemühte mich wirklich, lauter zu sprechen.
    »Was? Was hat sie gesagt?«
    »Jetzt sei schon still, Valla, und lass das Mädchen reden«, sagte Thuja. »Leih dir die Ohren deines Raben, wenn deine eigenen nichts taugen.«
    Der Mann, der offenbar Valla hieß, sah beleidigt aus, aber ich war froh, dass Thuja mich verteidigt hatte.
    »Sie hat die Stalltür in Brand gesetzt, um mich aus dem Haus zu locken«, sagte ich. »Und dann ist sie über mich hergefallen, hat meine Hände mit Stahldraht gefesselt und mir das hier um den Hals gelegt.«
    Tante Isa trat vor und schüttelte das Halseisen aus der Tasche. Ein Raunen ging durch die Rabenmütter, als ihnen klar wurde, was da vor ihnen lag.
    »Ein Halseisen«, sagte Thuja. »Sie hat kaltes Eisen um deinen Hals gelegt?«
    »Ja«, sagte ich. »Und fast hätte sie Tumpe umgebracht!«
    »Tumpe?«, knurrte Valla. »Wer zum Teufel ist das schon wieder?«
    »Unser Hund. Sie … Isa, wie hieß das noch gleich, was sie gemacht hat?«
    »Sie hat seinen Lebensstrang verdreht«, sagte Isa. »Ich konnte ihn nur mit Mühe retten. Mein Haus. Mein Hund. Meine Nichte. Sie hat auch meine Rechte verletzt!«
    Thuja schüttelte den Kopf.
    »Isa, du kannst nicht den Platz deiner Nichte einnehmen. Sie ist die Anklägerin, nicht du. Du kannst nicht in ihrem Namen sprechen.«
    Tante Isa senkte den Kopf und schwieg. Aber ihre Hand blieb auf meiner Schulter liegen.
    »Clara, fahre fort. Was ist weiter passiert?«
    »Chimära hat versucht, mich zu entführen. Sie hat einfach in Kauf genommen, dass Tumpe sterben würde, und ihn liegen lassen. Mich hat sie auf die Wilden Wege geschleift. Ich weiß nicht, wohin sie mich bringen wollte, oder was sie mir weiter getan hätte. Ich habe sie … verjagt. Und … und dann hat Tante Isa mich irgendwann gefunden.«
    »Sie hatte noch immer das Halseisen um die Kehle«, sagte Isa.
    »Isa …«
    »Ich klage nicht an«, sagte Isa. »Ich bezeuge nur. Ich habe es ja gesehen.«
    »Ja, ja, schon gut. Dann belassen wir es dabei. Die Anklage lautet also, dass Chimära in Isas Wildhag eingedrungen ist, Haus und Tier Schaden zugefügt hat und – und das ist der schwerwiegendste Vorwurf! – einer anderen Hexe kaltes Eisen angelegt hat.«
    »Ja«, sagte ich, so laut ich konnte. »So lautet die Anklage!«
    Gut gesungen, kleine Schwester , flüsterte der schwarze Kater in meinem Kopf, und seine Zufriedenheit erfüllte mich mit einer scharfen, wilden Wärme mitten in der Wintermorgenkälte.
    Aber es war zu früh, sich zu freuen, denn jetzt war Chimära an der Reihe.
    Sie breitete die Flügel aus und faltete sie wieder zusammen. Auch wenn es kein gewaltiges Flügelschlagen war, wirbelte es trotzdem Schnee auf, der um ihre Füße stob.
    »Wenn das alles ist«, sagte sie, »wieso sind wir dann überhaupt hier?«
    »Das sind ernste Anschuldigungen«, erwiderte Thuja.
    »Wenn sie denn wahr wären. Und wenn sie eine Hexe vorgetragen hätte.«
    »Was meinst du?«
    Sie zuckte mit den Flügeln.
    »Ich bin heute hierhergekommen, weil ich den Rat und das Gesetz achte. Aber seit wann verlangt das Gesetz, dass man sich damit abfinden muss, wenn die eigene Hexenehre von einem verwirrten Mädchen,

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