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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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heißt frei. Ist es nicht so?«
    »Schon. Aber … Es gibt ein paar Sachen, die man besser lässt, auch wenn man Lust dazu hat. Kannst du das nicht verstehen?«
    »Doch. So, wie etwas essen, was einen krank macht.«
    »Genau. Und mag ja sein, dass das manchmal schwierig ist – aber du solltest aufhören , Chimära zu folgen. Du musst herausfinden, wo du hinwillst.«
    Nichts nieste. Ein paar Daunen segelten aus ihrem Gefieder und landeten auf dem Küchentisch.
    »Ja, aber ich will doch nirgendwohin«, sagte sie. »Nur dahin, wo meine Mutter ist.«
    Ich starrte die zerzauste kleine Chimäre an und merkte, wie sich ein Hauch Gereiztheit unter mein Mitgefühl mischte.
    »Dann mach es«, sagte ich schließlich. »Wenn das wirklich alles ist, was du willst. Aber du musst dir die Tür selber aufmachen.«
    Ich drehte den Wasserhahn auf. Es fauchte und klopfte in der Leitung, und nach einer Weile schoss ein gelbbrauner Wasserstrahl aus dem Hahn. Ich wusch mir meine verdreckten Hände. Dann zog ich die Schneehose aus und spülte auch das Hosenbein aus, auf das Fetzenohr gepinkelt hatte. Nichts saß währenddessen reglos da und beobachtete alles, was ich tat, mit großem Interesse.
    »Du bist aber geschickt«, sagte sie bewundernd. »Du kannst dein eigenes Gefieder reinigen.«
    Ich wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte, also verkniff ich mir eine Antwort. Ich hängte die Hose zum Trocknen über die Lehne eines Küchenstuhls. Hier drinnen war es kalt, aber längst nicht so kalt wie draußen, und die nasse Hose wieder anzuziehen hätte es zweifellos nur noch kälter gemacht.
    »Weißt du, ob noch andere Mensch … äh, weißt du, ob sonst noch jemand im Haus ist?«, fragte ich.
    »Ich glaube schon«, sagte sie. »Da waren Stimmen.«
    »Seit wann?«
    »Auf jeden Fall seit gestern.«
    Dann war es vielleicht Tante Isa, dachte ich. Und womöglich sogar Oscar. Und Shanaia.
    Ich trocknete meine Hände an einem staubigen Lappen ab und öffnete vorsichtig die Tür zum nächsten Raum – einem langen dunklen Flur mit noch mehr Kleiderhaken an der Wand und noch mehr verlassenen eingestaubten Mänteln. Nichts watschelte flügelschlagend hinter mir her. Sie konnte nicht besonders gut fliegen, aber auch nicht richtig auf ihren Fingerfüßen gehen, und so wurde es ein unbeholfenes, flatterndes Mittelding. Sie nieste. Und kleckerte auf den Boden. Und nieste wieder. Federn und Staub stoben in alle Richtungen.
    »Was machst du?«, fragte ich.
    Sie schlug mit den Flügeln, um das Gleichgewicht zu halten, traf einen der Mäntel und kippte fast um, schaffte es, sich wieder aufzurichten, und starrte mich aus verzagten goldbraunen Augen an.
    »Es ist so schwer, damit aufzuhören, jemandem zu folgen«, sagte sie. »Darf ich nicht vielleicht dir folgen?«
    Das war immer noch besser, als Chimära hinterherzulaufen. Und auch wenn ich keine große Lust hatte, dieses kleine, flügelschlagende, niesende, kleckernde Wesen an den Hacken zu haben, so war es doch schwer, Nein zu sagen.
    »Okay«, sagte ich. »Für den Anfang. Bis du es gelernt hast. Aber du musst wirklich üben herauszufinden, was du selbst willst. Verstanden?«
    »Ja, ja«, sagte sie eifrig. »Das mache ich.«
    Ich drehte mich um und wollte weitergehen, als mir plötzlich ein Gedanke kam.
    »Hey, äh …« Ich brachte es nicht über mich, sie Nichts zu nennen, zumindest nicht laut. »Kleine Freundin.«
    »Freundin?«, sagte sie. »Was ist das?«
    »Eine Freundin ist … jemand, den man mag.« Verflixt noch mal. Es ging wirklich zu weit zu behaupten, ich würde Nichts mögen . In was war ich da bloß hineingeraten?
    »Mögen?«, fragte sie. »So ungefähr wie … Essen, das einem schmeckt?«
    »Äh, ja. So ungefähr. Oder … vielleicht eher … jemand, bei dem man sich freut, ihn zu sehen.«
    »Freuen«, sagte sie. »Ich weiß, was das ist. Ich habe es nur noch nicht so oft ausprobiert.«
    O Mann. Ich kehrte eilig zu der Frage zurück, die ich eigentlich stellen wollte.
    »Du hast ›Hau ab‹ gesagt, als du mich gesehen hast. Mehrmals. Warum hast du das getan?«
    »Ich habe mir das nicht ausgedacht«, sagte Nichts und sah ganz verschreckt aus. »Ich habe das nur gesagt, weil die anderen es gesagt haben.«
    »Welche anderen?«
    »Die. Im Haus. Die, die im Haus sind. Sie wollen, dass du weggehst.« Sie sah mich mit großen feuchten Augen an. »Hörst du das nicht?«

16  DIE SCHWESTERN

    Hau ab‹?«, fragte ich Nichts. »Bist du sicher?«
    »Nein«, sagte sie erschrocken. »Nicht,

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