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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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wenn du etwas anderes meinst.«
    Aber sie war sicher oder es zumindest gewesen, bis ich nachgehakt hatte.
    »Wer sind die?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Ich habe sie noch nie gesehen. Ich kann sie nur hören … ganz leise.« Sie zeigte mit einem Flügel auf ihren Kopf. »Hier drinnen.«
    Gänsehaut breitete sich von meinem Nacken über meinen Rücken aus. Es gab sicher viele, die so was einfach ignoriert und geglaubt hätten, dass Nichts während ihrer Gefangenschaft ein bisschen übergeschnappt war. Aber ich dachte an den Turmfalken, der wie ein Düsenjet vor mir in die Tiefe geschossen war. Und seit ich Kater kannte, wusste ich ja, dass nicht alle Stimmen, die man im Kopf hört, auch von einem selbst kommen.
    »Was sagen sie?«
    »Nur ›Hau ab‹.«
    »Sind sie sauer?«
    »Nein. Nicht auf dich.«
    »Und wieso wollen sie dann, dass ich gehe?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Ich holte tief Luft. Schloss die Augen. Versuchte, mit dem Wildsinn zu lauschen und ordentlich hinzuhören. Aber obwohl ich minutenlang so dastand, war da nichts als Stille, die in so einem alten Haus natürlich trotz allem keine Stille war – ein Knacken, ein Wispern, ein Rauschen in den Rohren.
    Doch. Warte.
    Da war jemand. Genau hinter der Tür, die ich gerade öffnen wollte, war Leben. Aber es war eine seltsame Form von Leben. Ich spürte viele verschiedene Atemzüge, viele verschiedene Herzen und trotzdem … etwas Gleiches. Etwas Abwartendes, Unbewegliches, das vollkommen gleich war, obwohl ich sicher war, dass sich mehr als nur ein Leben hinter dieser Tür befand.
    »Dahinter ist jemand«, sagte ich und zeigte auf die Tür. »Hast du das gemeint?«
    »Aber nein«, sagte Nichts. »Das sind ja nur die Schwestern.«
    »Die Schwestern?«
    Sie nickte. »Meine Schwestern. Sie sind besser gelungen als ich.«
    »Wollen sie, dass ich abhaue?«
    »Aber nein«, wiederholte sie. »So sind sie nicht. Es sind … die anderen.«
    Ich schloss die Augen. Versuchte, an dem unbeweglichen Warten, das Nichts die »Schwestern« genannt hatte, vorbeizukommen. Das war schwierig, sie bildeten so etwas wie eine Mauer, aber schwach, ganz schwach, spürte ich trotzdem …
    Oscar.
    Ich hatte manchmal das Gefühl, als wären wir durch einen unendlich dünnen roten Faden miteinander verbunden, dünner als eine Angelschnur. Meistens konnte ich das weder sehen noch spüren, aber wenn ich mich konzentrierte … ich war fast sicher, dass er es war. Fast .
    Ich öffnete die Tür – erst nur einen Spaltbreit, dann, als nichts passierte, ein bisschen weiter.
    Dahinter befand sich ein großes Treppenhaus, das bis hoch oben unter das Dach führte. Nur durch ein einzelnes, großes rundes Bleiglasfenster über einer Tür, die ich für den Haupteingang hielt, fiel ein wenig Licht hinein. Mehrere Scheiben in dem Fenster waren gesprungen oder fehlten ganz, sodass nur der eiserne Rahmen übrig war. Gut möglich, dass dieser Raum einst mit irgendeiner Art von Wärme oder Charme die Gäste des Hauses empfangen hatte, aber diese Zeiten waren lange vorbei. Ein eisiger Wind zog durch die Fensterlöcher, und der Fußboden war unter Vogeldreck begraben. Ich meine – vollkommen begraben. Auf den ersten Blick konnte man nicht mal erkennen, welche Farbe er ursprünglich hatte und ob er aus Stein oder Holz war. Vogeldreck klebte an den Wänden, auf der Treppe und dem Handlauf, Vogeldreck klebte überall.
    Der ganze Mist musste ja irgendwo herkommen. Ich schielte nervös durch das Dämmerlicht des Treppenhauses nach oben. Da war nichts, was sich bewegte, und vermutlich dauerte es deshalb so lange, bis ich sie entdeckte: auf Geländern, Handlauf und Querbalken, den dunklen Schacht hoch bis ins Gebälk unter dem Dach. Ich konnte sehen, dass es Vögel waren, aber nicht, was für welche. Sie schliefen, die Köpfe unter die Flügel gesteckt und das graue Gefieder aufgeplustert, sodass sie an sehr große Wollmäuse erinnerten.
    »Sind das die Schwestern?«, flüsterte ich Nichts zu.
    »Ja. Aber du musst nicht flüstern. Lärm macht ihnen nichts aus.« Nichts flatterte mit den Flügeln und erhob sich fast einen Meter in die Luft. »Haalloooo!«, schrie sie. »Haaalllllooooouuuoooooooouuuuuuuooooooooo …«
    Ich machte einen Satz, aber die Schwestern rührten nicht mal eine Schwungfeder.
    »Halten sie … Winterschlaf oder so was?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht, was das ist«, sagte Nichts.
    »So eine Art sehr fester Schlaf.«
    »Ah. Nein. Nein, ich glaube nicht. Sie warten

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