Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken
Tag. Um nicht zu vergessen.
Ich bin Viridian. Das ist mein Name, das bin ich. Auroras Tochter, Biarnis Ehefrau, Mutter von Mino und Ellis. Wildhexe. Mensch. Jemand . Es gibt mich. Ich bin hier. Ich bin noch nicht tot.
Als ich nach dem Kampf zu mir kam, glaubte ich, ich hätte gewonnen. Die Steine schwiegen, das Rad glühte nicht mehr. Ich lebte, und Blutskind war weg. Das konnte doch nur bedeuten, dass ich gewonnen hatte?
Ich hatte viel Blut verloren. Das sah ich im Sand, an den Felsen und der Quelle, die viel aufgenommen und doch glänzende Blutspuren zurückgelassen hatten, wie ein Schwamm, der nicht mehr Wasser speichern kann. Ich spürte es auch an meinem galoppierenden Herzen und dem Durst, der in meiner Kehle brannte und im ganzen Körper schrie. Ihr milden Mächte, was hätte ich gegeben, um diesen Durst zu stillen. Aber es war ein Glück, dass ich noch in der Lage war, ihn zu spüren, und das wusste ich nur zu gut.
Blut. So vieles drehte sich um Blut. Ich habe mein Blut weitergegeben, aber Bravita nicht. Darin, glaubte ich, lag mein Sieg, selbst wenn meine Wunden sich als Todeswunden erweisen sollten. Ob ich lebte oder starb, mein Blut wurde durch meine Söhne weitergetragen, und die Erinnerung an mich lebte in ihnen.
Trügerisch war diese Hoffnung, und wie töricht war ich, die ich sie nährte.
Ich bin Viridian. Das ist mein Name, das bin ich. Erinnere dich an mich. Erinnere Viridian!
Der Schwarze lag neben mir, auch er lebte noch. Ich vergrub meine Finger in seinem Fell und ließ meinen schmerzenden Kopf für einen kurzen Moment an seiner Flanke ruhen.
Auf , sagte er. Steh auf. Wer liegen bleibt, stirbt zuerst.
Da hatte er recht. Aber meine Kräfte waren verbraucht, allein mein Wille war mir geblieben, und selbst der war schwach. Ich spürte, wie er mir entglitt. Ich lag da und wusste nicht mehr, warum es wichtig war aufzustehen.
Der Schwarze jagte mir eine Kralle in die Hand. Auf. Auf-auf-auf!
Ihr milden Mächte. Die Erschöpfung zerrte in mir mit einer Kralle, die so viel schärfer war als seine, aber schließlich kam ich doch auf die Beine. Er verstand es schon immer, seinen Willen durchzusetzen.
Der Wind pfiff durch die verborgenen Spalten und Gänge der Grotte. Die Erschütterungen waren verebbt, der Felsboden lag ruhig unter meinen Füßen, als hätte er sich nie aufgebäumt und gewunden und versucht, uns abzuwerfen. Aber der Staub hing noch in der Luft, und ab und zu hörte ich, wie irgendwo im Dunkel der Höhle etwas polterte und fiel.
Die alte Treppe konnte ich nicht benutzen, das sah ich schon nach den ersten Schritten. Große Stücke der Decke waren herabgestürzt, und ich hatte keine Kraft, um zu graben. Es gab nur einen Weg nach draußen, und der führte entlang der Quelle, durch den Gang, den sie sich gegraben hatte, um zum Meer zu gelangen.
Bevor ich mich auf den langen, beschwerlichen Weg begab, sah ich mich ein letztes Mal in der Grotte um. Es war dunkel geworden – das wenige Tageslicht, das durch die Schächte drang, schwand langsam, und draußen wurde es sicher bald Nacht. Aber ich konnte das Rad im Boden der Grotte noch sehen, still wie der Fels, still, aber ganz. Es war nicht gebrochen. Vestmark war nicht gefallen.
Ich wollte mich gerade wegdrehen, als ich es entdeckte.
Eine Unreinheit, ein Makel. Nicht an der Nabe und nicht im Radkranz selbst, aber in dem Kreisviertel, das zu Vestmark, zu mir gehörte. Ich warf mich auf die Knie, ohne darüber nachzudenken, wie schwer es werden würde, wieder aufzustehen. Mein eigenes Blut war darübergelaufen, aber das spielte keine Rolle, es gehörte dazu, ich war ebenso ein Teil von Vestmark, wie Vestmark ein Teil von mir. Aber darunter … ich zerrte mein Halstuch ab und wischte das angetrocknete Blut weg, so gut es eben ging. Der Fels war nicht mehr, was er zuvor gewesen war – ein Teil des Urgesteins dieser Grotte. Wie Sand, der bei extremer Hitze schmilzt, war auch der Fels geschmolzen und dann wieder erstarrt, klar wie Quarz oder Glas. Und unter dieser Oberfläche sah ich meine Feindin. Ihr nach oben gewandtes Gesicht starrte mich an, sie hatte ihre Hände ausgestreckt, und an die Unterseite der Quarzschicht hatte sie nicht mit meinem, sondern mit ihrem eigenen Blut den Fluch geschrieben, der schon im Begriff war, mich zu treffen. Nur ein einziges Zeichen – das Zeichen für Vergessen. Und plötzlich hörte ich ihre Stimme in meinem Innern, obwohl ich sehen konnte, dass ihre erstarrten Lippen sich nicht im Geringsten
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