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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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Tageslicht fielen senkrecht aus winzig kleinen Löchern in der Decke auf den Boden. Sand. Fels. Das ferne Geräusch von Wellenschlag, Wind und Möwengeschrei. Plätscherndes Wasser.
    Das ist ein Traum, dachte ich. Das kann nicht die Wirklichkeit sein.
    Aber es fühlte sich ungewöhnlich wirklich an. Mir war schwindelig. Mein Finger blutete. Und als ich einen wackeligen Schritt vorwärtsmachte, drehte sich alles ein letztes Mal, und ich musste mich hinsetzen, um nicht zu fallen. Der Sand war nass, und die Feuchtigkeit drang schnell durch meine Leggings.
    Ich hörte ein Niesen und ein Pupsen, und jemand sagte:
    »Tschuldigung.«
    Nur wenige Meter entfernt saß Nichts auf seinem gefiederten Hintern, die Schwanzfedern im Sand aufgefächert.
    »Das war nicht mit Absicht«, sagte sie. »Es ist nur so schwer , niemandem zu folgen. Ich versuche und versuche es, aber …«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte ich heiser. »Ich bin froh, dass du da bist.«
    » Bist du?«, sagte sie und sah schon wieder überrumpelt aus.
    »Ja.« Und das war ich wirklich, weil ich so ein bisschen weniger das Gefühl hatte, verrückt geworden zu sein. Das hier musste die Wirklichkeit sein, ich war nicht im Begriff durchzudrehen, und es war kein Traum. Wäre es ein Traum gewesen, hätte ich Nichts nämlich ganz sicher nicht mitgenommen …
    Aus irgendeinem Grund war das Rad-Ritual schiefgegangen oder hatte zumindest anders gewirkt, als Tante Isa erwartet hatte. Und jetzt saßen wir beide hier nebeneinander, Nichts und ich, in einer unterirdischen Höhle am Meer.
    »Denkst du, das hier ist die Grotte, von der diese Viridian geschrieben hat?«, fragte Nichts.
    »Ja«, sagte ich. Denselben Gedanken hatte ich auch schon gehabt. »Ich weiß nicht, warum oder wie wir hier gelandet sind, aber …« Dann fiel mir etwas anderes auf.
    »Sag das noch mal.«
    »Was denn?«, fragte Nichts.
    »Den Namen.«
    »Den Namen?«
    »Den Namen der Frau aus dem Buch«, sagte ich geduldig.
    »Viridian?«
    »Ja. Du kannst es sagen.«
    »Äh … ja.«
    Das war komisch. Shanaia hatte es nicht sagen können, Tante Isa auch nicht, nicht mal Kater brachte den Namen raus, obwohl er es versuchte. ERINN EREVI RIDI AN und so weiter. Aber Nichts konnte es.
    »Wie ist das möglich?« Ich sah das kleine, verrotzte Federknäuel mit den ununterbrochen tränenden Augen forschend an. »Wieso kannst du es, wenn es niemand sonst kann?« Mit Ausnahme von mir und Chimära wohl auch, aber das zählte nicht so ganz.
    »Weil ich Nichts bin«, sagte sie traurig.
    »Wie denn?«
    »Nicht Mensch. Nicht Tier. Nichts soll sich an dich erinnern« , sagte sie. »So lautet der Fluch. Und ich bin Nichts. Deshalb erinnere ich mich. Wenigstens an manches. Deshalb war ich ihr am Anfang auch noch nützlich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich konnte sehen, dass in den Büchern etwas stand. Aber ich hatte nicht gelernt zu lesen, nicht am Anfang. Als sie anfing, es mir beizubringen, da … da wurde ich ein bisschen weniger nichts. Ich fing an, etwas zu können. Und zu werden. Und deshalb … deshalb verschwanden die Worte. Also die Worte, die sie geschrieben hatte. Viridian. Da war ich nicht mehr nützlich.«
    »Nein«, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit. »Du warst immer von Grund auf missraten und zu nichts zu gebrauchen.«
    Nichts’ Gesicht veränderte sich. Ihr Blick hellte sich auf. Ihr Mund verzog sich zu einem verzückten Lächeln.
    »Mutter!!«, jubelte sie und hopste und flatterte im Sand auf Chimära zu.

23  BLUTKUNST

    Sie passte kaum in die Höhle. Sie hielt ihre Flügel unbeholfen halb zur Seite ausgebreitet, und zum ersten Mal fragte ich mich, wie es sich eigentlich mit so einem Paar lebte. Fliegen zu können wäre schön, natürlich, aber der Preis dafür war, dass man nur noch an Orte kam, wo die Decke mindestens vier Meter hoch war … das hatte ich mir bislang noch gar nicht bewusst gemacht.
    Keine Ahnung, warum ich gerade jetzt darüber nachdachte. Vielleicht einfach nur, um überhaupt zu denken , statt Chimära in stummer Panik anzustarren. Mein Herz klopfte so laut, dass es in meinen Ohren knisterte, und ich sprang auf, um wenigstens zu stehen, wenn sie … wenn sie …
    Ja, was hatte ich eigentlich erwartet, dass sie tun würde? Sie jagte mich seit Monaten und hatte damit selbst dafür gesorgt, dass sie in der wilden Welt geächtet worden war, aber ich wusste immer noch nicht, was sie eigentlich von mir wollte.
    Ihr raubvogelgelber Blick ruhte auf mir.
    »Hexenkind«, sagte sie. »Da bist

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