Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
Vom Netzwerk:
du ja. Ich dachte mir doch, dass die ach so heilige Isa der Versuchung nicht widerstehen würde.«
    »Versuchung?«, fragte ich heiser. »Was für eine Versuchung?«
    »Der Versuchung, den Fluch aufzuheben. Aber deine Hexentante versteht sich nicht so gut auf Blutkunst, wie sie glaubt.«
    Blutkunst. Ich hatte das Wort noch nie gehört, aber ich erkannte es trotzdem wieder. Etwas in mir erkannte es wieder und wusste, dass genau das mit mir passierte, sobald sich mein Blut mit etwas anderem verband. Das war der Grund, warum ich manchmal wusste, was mit Oscar los war, obwohl ich gar nicht in seiner Nähe war. Deshalb konnte ich mit Kater »sprechen« – seit dem allerersten Morgen im Fahrradkeller, seit er mich zwischen den Augen gekratzt hatte, seit dem Augenblick, in dem er mein Blut abgeleckt hatte, seitdem waren wir miteinander verbunden. Blutkunst hatte Fetzenohr von der Sklaverei befreit, und Blutkunst hatte mich hierhergeführt.
    Plötzlich fegten Chimäras Flügel nach vorne, und ich fiel wieder hin. Sie schlug weiter mit den Flügeln, lange, schnelle, pfeifende Hiebe, die den Sand aufwirbelten, sodass er durch die Grotte stob. Ich musste die Augen zusammenkneifen, er setzte sich in die Nase und knirschte zwischen den Zähnen, ich war gefangen, mitten in einem rasenden Sandsturm und musste spucken und spucken, halb blind und taub vom Pfeifen des Sandes und dem Rauschen der Flügel.
    Ich versuchte, auf die Füße zu kommen, aber wieder traf mich ein Flügelschlag, diesmal am Hinterkopf. Ich konnte nicht stehen, noch nicht mal sitzen, sondern lag nur japsend und schwindelnd in dem aufgewühlten Sand, während sich um mich herum der Sturm endlich legte. Ich fühlte mich ungefähr so, als hätte sie mich mit einem Golfschläger umgehauen, aber wie sich zeigte, hatte sie die Flügel nicht in erster Linie gebraucht, um mich zu Boden zu befördern.
    Sie hatte den Großteil des Sandes weggefegt, und der Grund, der darunter zum Vorschein kam, war vollkommen ebenmäßig und glasartig. »… klar wie Quarz oder Glas«, hatte in Viridians Buch gestanden, und obwohl der Sand den Boden über die Jahrhunderte ein bisschen stumpf geschliffen hatte, konnte man die Umrisse eines großen Kreuzrades erkennen. Es war fast identisch mit dem, das Tante Isa oben im Wohnzimmer aufgezeichnet hatte, nur zehn- bis zwanzigmal größer. Und ich lag fast genau in der Mitte. Das fühlte sich irgendwie unheilvoll an, und ich versuchte wegzukrabbeln, aber meine Arme und Beine wollten mir nicht gehorchen.
    »Erde«, rief Chimära mit schneidender Stimme, die klang wie Metall, das auf Stein trifft. Aus der Dunkelheit kroch ein Maulwurf hervor. Es war sicher der größte, den ich je gesehen hatte. Oder kam er mir nur so groß vor, weil ich selbst auf dem Boden lag? Seine rosa Schnauze zuckte suchend, seine Vorderpfoten rutschten ein wenig unbeholfen über den glatten Boden. Das hier war nicht sein Element. Aber Chimära ließ ihm keine Wahl. Mit einem klauenähnlichen Finger zeigte sie auf ein Viertel des Kreises, und der Maulwurf krabbelte über den Boden, bis er dort war, wo sie ihn haben wollte. Ich konnte sehen, wie seine Flanken sich in kleinen stoßartigen Bewegungen hoben und senkten, und ich glaubte, seine Angst beinahe spüren zu können. Er wollte nicht hier sein. Er gehörte nicht hierher. Er wollte zurück in seine Gänge unter der Erde, zu nassem Humus und Regenwurmduft, zu feuchten Blättern, knusprigen Käfern und Graswurzeln, die in der Dunkelheit lecker und saftig rochen.
    »Wasser!« Chimäras zweiter Ruf ließ mich zusammenzucken, als hätte er mir gegolten. Aber das hatte er nicht. Es war ein anderes Geschöpf, das sich aus der Richtung, in der es am stärksten nach Meer und Möwengeschrei roch, über den Boden der Grotte zwang oder gezwungen wurde. Ein kleiner Seehund, grau gefleckt und mit dunklen Augen, die mich an Luffes braunen Labradorblick erinnerten. Auch er wollte nicht hier sein. Er stieß ein winziges Fauchen des Widerstands aus, aber Chimäras herrischer Finger beendete seinen Protest, und er robbte über den sandigen Boden, bis er in seinem eigenen Viertelkreis lag, neben dem des Maulwurfs.
    »Luft!«
    »Nimm mich, nimm mich!«, rief Nichts und sprang so hoch in die Luft, wie sie konnte. »Ich habe Federn! Ich bin nützlich!«
    Chimäras Konzentration geriet kurz ins Wanken.
    »Du bist nichts«, zischte sie. »Verschwinde, bevor du alles kaputt machst.«
    Nichts nieste und kleckerte natürlich auf den

Weitere Kostenlose Bücher