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Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie

Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie

Titel: Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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belebte Stube läuft. Er riss die Tür auf. Farid stand am Fenster und zuckte zusammen.
    „ Entschuldigung“, sagte Jan.
    Farid lächelte. „Ich scheine ein bisschen schreckhaft zu sein.“
    Jan schloss die Tür und stellte sich so, dass er sie im Auge behalten konnte. „Wird Anna ins Gefängnis kommen?“
    „ Nein“, antwortete Farid, „sie ist nicht schuldfähig. Aber der Richter wird eine Sicherheitsverwahrung anordnen.“
    „ Für wie lange?“
    „ So lange, wie sie gefährlich ist. Und möglicherweise wird sie danach noch in stationärer Behandlung bleiben. Ihre Störung geht sehr tief. DIS ist die Extremform der Dissoziation ... und jüngere Kinder entwickeln diese Fähigkeit eher als ein Mädchen wie Anna, die zum Zeitpunkt des Missbrauchs elf Jahre alt war. Vielleicht hat sich ihr Vater schon an ihr vergangen, bevor ihn Carmen Ende 1999 rausgeworfen hat.“
    Jan wollte diesem Gedanken nicht folgen und fragte rasch: „Wie lange dauert die Therapie?“
    „ Ich fürchte ...“ Farid setzte neu an. „Der Behandlungserfolg ist sehr individuell. Möglicherweise ist sie in einem Jahr wieder draußen.“
    „ Und kann sie dann ein normales Leben führen?“
    „ Grundsätzlich ja.“
    „ Kann sie rückfällig werden?“
    „ Ja. Die erste Behandlung war ausgesprochen fundiert und hat ihr Trauma doch nicht hinreichend aufarbeiten können. Nun ist sie älter, die kognitiven Fähigkeiten sind weiter entwickelt. Oft lassen sich solche Traumata erst im Erwachsenenalter richtig angehen, wenn die oberflächlich verheilte Wunde aufbricht. Grundsätzlich bestehen daher jetzt bessere Heilungsaussichten, auch wenn Narben zurückbleiben werden.“
    Jan dachte, dass er sich schon immer älter empfunden hatte, als er war. Erst recht nach den Erfahrungen in Alaska. Trotzdem fühlte er sich dem nicht gewachsen, was ihm bevorstand. Er würde hineinwachsen müssen, wie Farid es bei ihrem ersten Gespräch in der psychiatrischen Klinik angedeutet hatte.
    „ Sollen wir nochmal versuchen zu schlafen?“, fragte Farid.
    „ Ja.“ Jan atmete tief aus. „Der Missbrauch von Kindern ist so furchtbar, dass man es sich gar nicht vorstellen kann.“
    „ Damit bist du nicht allein.“ Farid stand auf und stellte sich ans Fenster. „Freud hatte zu Beginn seiner Arbeit eine Verführungstheorie aufgestellt, um die Hysterie seiner Patientinnen zu erklären. Ehrlicher wäre es gewesen, von einer Vergewaltigungstheorie zu sprechen. Aber selbst unter geschöntem Namen war die Überlegung, dass Väter ihre Töchter sexuell missbrauchen und damit lebenslang schädigen, gesellschaftlich nicht hinnehmbar. Zumal die hohe Zahl der hysterischen Frauen auf ein unvorstellbares Maß an Missbrauch hingewiesen hätte. Wenn man zudem bedenkt, dass Freuds Patientinnen häufig die Töchter seiner Freunde und Bekannten waren, überrascht es nicht, dass er seine Theorie revidierte. Die Patientinnen litten nun am verdrängten ödipalen Wunsch, mit dem Vater zu schlafen – dem der Vater natürlich nie stattgegeben hat.“
    „ Und damit gingen die Väter straflos aus.“
    „ Nicht bei Anna.“
     

8. Kapitel
    Jan ging an den Birken vorbei durch den nebligen Garten. Der Kies knirschte unter seinen Füßen, ansonsten war der Morgen vollkommen still. Als er den kalten, taufeuchten Türgriff schon in der Hand hielt, blickte er zurück. Farid stand auf den Treppenstufen, einen Arm zum Abschied erhoben. Dann driftete eine dichtere Schwade zwischen sie und verwischte die Villa, das Dach und der Turm schwebten darüber. Jan betrachtete die schmiedeeiserne Plattform auf dem Turm, die ihm in der Nacht entgangen war. Nur von einer treppenumwundenen Stütze getragen hielt sie die Balance wie ein Storchennest auf einem Schornstein.
    Jan trat hinaus auf die Straße und zog die Tür hinter sich zu. Es war erst kurz nach sieben. Sie waren beide früh aufgewacht und hatten sich noch vor dem Frühstück getrennt. Farid wollte bald in die psychiatrische Klinik fahren und sich um seine Patienten kümmern, da er damit rechnete, im Laufe des Tages durch Anna beansprucht zu werden. Jan hoffte, zumindest zwei oder drei Stunden für sich zu haben, in denen er die Dinge sacken lassen konnte, ehe Carmen in Berlin einträfe.
    Der Nebel begann zu leuchten, die Sonne war unsichtbar aufgegangen. Bis zur Bushaltestelle war es ein guter Kilometer, immer am See entlang. Jan ging langsam, um den Spaziergang zu strecken. Die bunten Blätter der Baumkronen strahlten im Morgenlicht,

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