Wildnis
Newman.
„Moment mal“, sagte Karl, legte den Hörer auf den Schreibtisch, nahm die Füße herunter und sah Newman an.
„Yeah?“, sagte er.
Die beiden an der Wand wandten sich Newman zu. Einer stand auf, holte einen Revolver unter der Jackehervor und hielt ihn an sein Bein. Der mit dem Revolver hatte dicke Lippen und ein langgezogenes Gesicht. Sein Haar war kraus, seine Haut sehr weiß. Der andere Mann, der noch saß, war gewaltig, ein richtiger Kleiderschrank. Dreihundert Pfund, dachte Newman. Eine breite Brust, ein praller Bauch unter dem weißen Hemd, der bretthart wirkte, wie bei einem russischen Gewichtheber. Die Hemdärmel waren zweimal umgeschlagen, die Handgelenke dick wie Klafterholz. Auch er stand jetzt auf und machte einen Schritt auf Newman zu. Er war groß und hatte einen leichten Rundrücken. Er war glattrasiert, das Haar war zurückgekämmt und glänzte. Er machte einen sehr sauberen Eindruck.
„Der Mann hat dich was gefragt, du Ratte“, sagte er. Newman kannte die Stimme.
Auch dieser Raum hatte keine Fenster, die Hohlziegelwand war gelb getüncht. In der linken Zimmerecke stand ein grauer Aktenschrank, der Boden hatte keinen Teppich. Die Beleuchtung bestand aus einer Neonröhre an der Decke. Der Riese machte noch einen Schritt auf Newman zu. Der mit den dicken Lippen stand regungslos da, den Revolver am rechten Schenkel.
Newman nahm die Karte aus dem Hutband und streckte sie dem Riesen hin. Er las.
„Ein Taubstummer, Dolph. Schnorrer“, sagte er und gab Karl die Karte.
„Schmeißt ihn raus“, sagte er, zerknüllte die Karteund warf sie auf den Boden. Der Riese packte Newman an den Schultern und drehte ihn um.
„Wenn noch mal jemand hier raufgeschlichen kommt, schlag ich den Arschlöchern da unten die Kiemen ein, das kannst du ihnen ausrichten“, sagte Karl.
Der Riese hielt Newmans Schulter mit der Linken fest und stieß ihn auf die Galerie hinaus. Newman wehrte sich nicht. Er hatte Angst hinzufallen, in seinen Beinen war überhaupt kein Gefühl mehr. Der Riese schubste ihn den Gang entlang und die Treppe hinunter, es ging so schnell, dass seine Füße nicht mitmachten. Er stolperte und musste sich am Treppengeländer festhalten. Links irgendwo, spürte Newman, musste Hood sein.
An der Tür blieb der Riese stehen, machte sie auf, gab Newman einen Tritt in den Hintern, so dass er bäuchlings auf die Straße flog, und ließ die Tür wieder zufallen.
Einen Augenblick blieb Newman mit dem Gesicht im Straßenstaub liegen und spürte den kratzigen Beton an seiner Wange. Er hatte das Gefühl, als müsste er hier, mitten auf dem Gehsteig, Wasser lassen. Er war lebendig wieder rausgekommen. Sie hatten ihm nichts getan. Er hatte es geschafft.
Er stand auf, ging zu Hoods Wagen, setzte sich auf den Beifahrersitz und verhielt sich ganz still. Sein Herz raste wie nach dem Koitus. Er presste die offenen Handflächen, die sich verschwitzt und geschwollen anfühlten, gegen die Schenkel.
Hood verließ das Geschäft, stieg ein, nahm die Schlüssel von der Oberkante der Sonnenblende und startete. Sie fuhren die Portland Street hinunter.
„Alles in Ordnung?“, fragte Hood.
„Sicher“, antwortete Newman.
11
„Und wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte Janet.
Sie saßen bei Bier, Wein und Sandwiches in der Küche der Newmans.
„Wir warten“, sagte Hood, „und halten die Augen offen. Eines Tages kommt unsere Chance. Die Schwierigkeit liegt nicht darin, ihn umzubringen, sondern nicht geschnappt zu werden.“
„Du glaubst ja nicht, Janet, wie das war, als ich sie da plötzlich vor mir sah“, sagte Newman. „Die Kerle, die dich gefesselt haben … War der eine Kerl wie ein Kleiderschrank, der aussah wie aus dem Ei gepellt?“
„Ja, und der andere hatte dicke Lippen und ein langgezogenes Gesicht. Das hatten wir alles schon, Aaron.“
„Ja, das waren sie.“ Newman trank einen Schluck Bier. „Die beiden Dreckskerle. Und Karl. Der Typ, der die Frau erschossen hat. Und ich habe sie überrumpelt und lebe noch.“
„Aber du hast sie nicht umgebracht“, sagte Janet.
Einen Augenblick blieb es still. Dann sagte Hood: „Es wäre Selbstmord gewesen, Janet. Wir hatten vereinbart, dass Aaron sich nur mal umsehen würde.“
Newman knackte eine neue Dose Bier und trank einen Schluck.
„Quatsch. ,Hab’ keine Hemmungen, die Kanone zu benutzen‘, hat Chris noch gesagt, ehe ich reingegangen bin. Ich brauch keinen, der mir ein Alibi für meine Frau liefert, Chris.“
Hood zuckte mit den
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