Wildnis
Schultern und sah durch das große Panoramafenster in den Garten hinaus.
„Und warum hast du es nicht getan?“, fragte Janet.
„Weil ich eine Scheißangst hatte. Darum. Ich konnte nichts tun.“
„Und wann wirst du keinen Schiss haben? Wie willst du den Job erledigen?“
„Sie waren zu dritt, Janet“, sagte Hood. „Drei Mann mit fünf Schuss – das läuft nicht. Er hat es ganz richtig gemacht.“
„Halt den Rand, Chris“, sagte Newman. Hood sah Newman einen Augenblick an. Wieder regte sich etwas in seinen Augen. Die Kiefergelenke spannten sich. Ganz kurz nur, aber merklich.
„Lass sie denken, was sie will“, sagte Newman.
„Man wird ja wohl noch fragen dürfen“, sagte Janet. „Ich will nur Informationen. Ich denke nichts. Du warst drin, du warst bewaffnet, du hast Karl nicht erschossen.Was ist dagegen einzuwenden, wenn ich wissen will, warum du’s nicht gemacht hast?“
„Wenn du’s nicht weißt, bezweifele ich sehr, dass ich es dir erklären kann“, sagte Newman.
„Es war zu gefährlich, sagst du. Schön, das akzeptiere ich. Ich will nicht, dass du dabei ums Leben kommst. Ich will nicht, dass du unnütz etwas riskierst. Aber wie soll ich dahinterkommen, wenn du nicht mit der Sprache rausrückst?“
„Vielleicht solltest du es selber machen“, sagte Newman. Er nahm zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank und gab eine Hood, der sie ungeöffnet vor sich auf den Tisch stellte und einen Schluck aus seiner angebrochenen Dose trank. Newman riss den Ringverschluss von seiner Dose ab und schleuderte ihn in Richtung Spüle. Der Verschluss verfehlte das Ziel und schlitterte über die Arbeitsfläche. „Weißt du was? Besorg dir eine Kanone und geh los und versuch es mal. Das ist nämlich unter Umständen komplizierter als im Sessel zu sitzen und das große Wort zu führen.“
Der schneidende Ton, der Ton, der ihm immer Angst machte, war wieder da. „Mag sein, dass ich es wirklich machen sollte. Vielleicht wäre alles schon vorbei, wenn ich mit einem Revolver dabei gewesen wäre. Chris, kannst du mir zeigen, wie man schießt?“
„Das können wir dir beide zeigen“, sagte Hood.
Newman sah stumm auf die Bierdose in seinen Händen.Es waren große Hände, kräftig, braungebrannt und schwielig. Er war geschickt und konnte schreinern und mauern und elektrische Leitungen verlegen. Das alte Haus, in dem sie wohnten, hatte er praktisch im Alleingang renoviert.
„Ich halt mich lieber an dich“, sagte Janet.
Newman stand auf, ging durch die Küche, ging durchs Esszimmer und trat vors Haus.
Er stand im Dunkeln in seiner Einfahrt unter dem Geäst des dreihundertjährigen Ahorns, der tagsüber ihr Schlafzimmer beschattete. Wieder brannten Tränen in seinen Augen und sein Gesicht war nass. Wie anders dein eigener Grund und Boden in der Dunkelheit aussieht, dachte er. Er ging die Einfahrt hinunter zur Straße. Smithfield war ein kleiner Ort, es hatte die in Neuengland übliche Grünfläche in der Ortsmitte und ein Gemeindehaus. Nachts, ohne Autoverkehr, konnte Newman sich zweihundert Jahre zurückversetzen in die Zeit, als dieses Haus gebaut worden war, in die Zeit von Jeffersons Präsidentschaft, in die Zeit unmittelbar nach der Revolution. Bin ich im Recht? Oder ist es das Bier? Warum habe ich immer ein paar Bier intus, wenn ich Wut auf sie kriege? Verfälscht das Bier das, was sie sagt, oder baut es Hemmungen ab und erlaubt es mir das zu sagen, was ich aus Vorsicht nicht sage, wenn ich nüchtern bin? Was habe ich denn gesagt? Im Grunde habe ich überhaupt nichts gesagt. Wieso zum Teufel habe ich eigentlich solche Wutauf sie? Wie konnte sie nur so mit mir umspringen? Wie konnte sie so verdammt taktlos sein?
Er ging an dem kleinen dörflichen Einkaufszentrum vorbei. Sein Gesicht war noch immer nass von Tränen. Es war längst Ladenschluss, aber in den Geschäften brannte Licht. Es wäre peinlich, wenn jemand sehen würde, wie er flennend hier herumirrte. Er rühmte sich seiner guten Ehe und der liebevollen Beziehung. Zugeben würde er seine Probleme nie. Er ging auf die andere Straßenseite, wo das Licht ihn nicht erreichte, und setzte sich auf das Steinmäuerchen des alten Friedhofs. Ist das nicht im Grunde alles ganz unwichtig? In vierzig Jahren sind wir sowieso alle unter der Erde, den Würmern zum Fraß vorgeworfen. Aber es gibt nur sie auf der Welt. Er senkte, von Kummer überwältigt, den Kopf. Ablehnung von ihr macht mich immer fertig. Fix und fertig. Ich erwarte zu viel von ihr, als könne
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