Wildnis

kratzte mir damit auf dem Bauch herum und dann sind sie gegangen.“
    „Haben sie was gesagt?“
    Sie erschauerte. Ihre Arme hatte sie eng um ihren Oberkörper geschlungen, die Schultern waren gesenkt. Es wäre schön, dachte er, wenn ich sie in den Arm nehmen könnte. Wenn sie ihr Gesicht an meine Schulter legen und weinen könnte. Ist ja gut, Kleines, hätte er zu ihr sagen können. Ist ja schon gut, ich bin ja da, wein dich nur aus. Aber er wusste, dass sie zurückweichen würde, wenn er nach ihr griff.
    „Nein. Es war grauenhaft. Sie haben kein einziges Wort gewechselt. Weder mit mir, noch miteinander.“
    „Tut mir leid, dass ich nicht hier war.“
    Sie zuckte die Schultern. „Sie waren bewaffnet. Es wäre dir nicht anders ergangen als mir.“
    „Vielleicht. Diese Schweine. Ich bring’ sie um, wenn ich sie erwische.“
    Sie lächelte schwach.
    Das Telefon läutete. Sie sahen beide automatisch auf die Uhr. Vier Uhr fünfzehn. Es läutete wieder. Den Lauf der Büchse nach unten haltend, die Hähne noch gespannt, ging er zu dem Nachttisch auf Janets Seite, wo das Telefon stand, und nahm mit der linken Hand den Hörer ab.
    „Hallo?“
    „Schon gefunden?“ Eine ungebildete Stimme mit einem groben Bostoner Akzent.
    „Wen?“
    „Deine Alte. Die Puppe, die wir dir als Geschenkpaket aufs Bett geknallt haben.“
    Die Angst kribbelte jetzt nicht mehr, sie war ein stetiger, mal anschwellender, mal nachlassender Schmerz, der nie ganz verschwand. Jetzt war er so heftig, dass ihm regelrecht schlecht wurde.
    „Ja, ich habe sie gefunden“, sagte er.
    „Haste die Buchstaben über ihrer Möse gesehen?“
    Newman nickte.
    „Ja oder nein?“, fragte die Stimme scharf.
    „Ja, ich habe sie gesehen.“ Er umkrampfte den glatten Schaft der Büchse. Wenn sie nun kamen und sie nicht losging? Oder wenn es drei waren und sie aus verschiedenen Richtungen kamen? Er schluckte mühsam.
    „Du weißt, wessen Anfangsbuchstaben das sind.“
    „A.K.?“
    „Ja, du Null. A.K. Du hast gequatscht. Weißt schon, bei wem.“
    „Ja.“
    Seine Kehle war wie zugeschnürt. Es fiel ihm schwer, die Worte herauszubringen.
    „Ja, ich weiß, wessen Initialen das sind.“
    „Gut. Morgen früh gehst du hin und sagst denen, dass du dich geirrt hast, dass du A.K. nie gesehen hast. Haben wir uns verstanden, du Sackgesicht?“
    „Und wenn ich das tue, lassen Sie mich in Ruhe?“
    „Cleveres Kerlchen. Wenn du machst, was ich sage, dann siehst du uns nie wieder. Sonst legen wir euch beide um. Hast ja gesehen, wie leicht es mit deiner Alten war. Euch beide erledigen wir mit links. Ist das klar?“
    „Ja.“
    „Gut. Und bilde dir ja nicht ein, dass wir’s nicht rausfinden. Siehst ja, wie schnell wir gewusst haben, dass du gequatscht hast und wie schnell wir bei deiner Alten waren. Wir kriegen alles mit. Das kannst du mir ruhig glauben.“
    „Ja.“
    „Und du machst, was ich dir gesagt hab?“
    „Ja.“
    „Gut. Dein altes Mädchen hat übrigens eine hübsche Pussy. Wäre doch schade, sie an die Würmer zu verfüttern.“
    „Ich …“
    Ein Klicken. Die ungebildete Stimme war verstummt. Newman legte den Hörer sehr vorsichtig auf.
    „Waren sie das?“, fragte Janet.
    Newman nickte.
    „Ruf die Polizei an“, verlangte Janet.
    Newman schüttelte den Kopf.
    „Warum denn nicht, verdammt noch mal? Wenn du nicht willst, mach ich’s.“
    Er schüttelte wieder den Kopf.
    „Geht nicht. Hör zu.“
    Und dann erzählte er ihr von dem Mann mit dem glatt zurückgekämmten Haar, von der Schwarzen, von Corporal Croft und Lieutenant Vincent. Er erzählte ihr von Adolph Karls Foto in der Verbrecherkartei und wie er ihn bei der Gegenüberstellung erkannt hatte. Er erzählte ihr von Crofts Warnung und seinem Versprechen, sie unter Polizeischutz zu stellen.
    „Aber sie haben es so schnell erfahren. Sie müssen einen Cop auf ihrer Gehaltsliste haben.“
    Sie nickte. „Schöner Mist.“
    „Was sollte ich machen? Ich konnte doch nicht einfach weiterjoggen, als der Kerl das Mädchen erschossen hat.“
    „Weiß ich ja.“
    „Ich meine – ich musste das tun, was ich für richtig hielt.“
    „Ja, wie immer. Manchmal habe ich den Eindruck,Aaron, dass du zu viel in deinen Büchern herumliest.“ Sie schüttelte verärgert den Kopf. „Lass gut sein, wir dürfen jetzt nicht streiten, wir müssen überlegen, wie es weitergehen soll.“
    „Wir wissen, wie es weitergehen muss. Morgen gehe ich zur Polizei und sage, dass ich mich geirrt habe. Und wenn sie sich auf