Wildrosengeheimnisse
Verbleib seiner Frau gesucht, Frau Winter. Er erschrak, als er Sie kommen sah, und hat sich deshalb aus dem Staub gemacht. Natürlich ist er sich bewusst, dass sein Verhalten falsch war und er Sie erschreckt hat. Er hat uns versichert, dass er Sie nicht mehr belästigen wird. Er sei nur so verzweifelt und in großer Sorge um seine Frau, dass er sie überall suchen würde, vor allem an Orten, an denen sie sich zuletzt aufgehalten habe. Mit Ihrem anderen Erlebnis neulich Nacht hat er aber angeblich nichts zu tun. Das war vielleicht nur der Nebel, wie Sie bereits vermutet haben. Also keine Aufregung. Seien Sie dennoch bitte trotzdem vorsichtig und denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe.«
In gewisser Weise tut mir dieser Grothe sogar leid, so blöd das klingen mag. Wie verzweifelt muss er sein, dass er auf eigene Faust nach Isabella sucht. Verhält sich so ein Mann, der seine Frau möglicherweise umgebracht hat?
Andererseits könnte es sein, dass dem tatsächlich so war und er jetzt die Spuren verwischen muss. Sagt man nicht immer, der Mörder kehre an den Ort seiner Tat zurück? Aber das würde bedeuten, dass Isabella hier …
Ich verbiete mir, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Wahrscheinlich habe ich wirklich zu viele Krimis gesehen.
Die Handynummer, die auf der Visitenkarte stand, vergesse ich erst einmal wieder, doch am nächsten Tag rufe ich von meinem Festnetz, bei dem nicht die Nummer angezeigt wird, an.
Der Teilnehmer meldet sich, allerdings nicht mit seinem Namen, sondern nur mit einem kurzen »Hallo«. Seinen Namen braucht er allerdings gar nicht zu nennen, denn ich weiß auch so, wer es ist. Es ist Christians warme Stimme, die in meinem Ohr klingt.
6. Kapitel: Der Besuch
Natürlich melde ich mich nicht, sondern lege sofort auf. Ich muss mich erst einmal hinsetzen, denn ich kann nicht recht glauben, was ich gerade erlebt habe.
Mit Sicherheit weiß ich jetzt, dass Christian mich belogen hat, als er sagte, dass er diese Isabella Grothe nicht kenne. Warum hatte sie dann seine Handynummer, noch dazu notiert auf einer Visitenkarte der ›Butterblume‹? Was ist das überhaupt für ein Handy, von dem ich offenbar nicht die Nummer habe? Es muss sich um ein zweites Handy handeln und es sieht ganz danach aus, als habe mein Freund Geheimnisse vor mir.
Mir wird bewusst, dass es offenbar so manches gibt, was ich nicht von ihm weiß.
Als wir am Abend telefonieren, erzähle ich ihm von Isabellas Ehemann, der sich im Garten der ›Butterblume‹ herumtrieb, und vom Kommissar, der deshalb hier war.
Christian scheint ehrlich bestürzt und in großer Sorge um mich, doch als ich ihn noch einmal darauf anspreche, ob er Isabella vielleicht doch kenne, verneint er abermals.
So ein Heuchler.
Ich sage nichts von der Handynummer, doch ich bin mir sicher, dass er lügt.
Wer weiß, was er mir noch alles verheimlicht.
Obwohl mir diese Gedanken schwer auf der Seele liegen, werde ich abgelenkt durch den Besuch aus Amerika am darauffolgenden Tag. Wie Emily bereits richtig vermutete, stellen sie mein ganzes Leben auf den Kopf und ich habe auf einmal alle Hände voll zu tun.
Steve und sein Schwiegersohn George haben in Stuttgart am Flughafen zwei Mietwagen organisiert und sind damit auf dem Weg zum Bodensee. Als ich gerade dabei bin, lila und weiße Fliederzweige, die ich im Garten abgeschnitten habe, in kleine Tonvasen zu stellen und damit die Terrasse zu dekorieren, biegen sie laut hupend in den Hof der ›Butterblume‹ ein. Aus dem etwas größeren Auto klettern George und Steves Tochter Laura Ann, die ich bereits aus Detroit kenne und wegen ihres liebenswürdigen und ruhigen Wesens sehr schätze, sowie ihre vier quirligen, kleinen Mädchen, die gerade alle auf Amerikanisch durcheinanderschnattern. Aus dem anderen Fahrzeug steigen Steve und meine Mutter, die, dem Anlass und dem frühlingshaften Wetter entsprechend, in einem kunterbunten und groß geblümten Kleid und hochhackigen Schuhen steckt und kein bisschen nach einem Langstreckenflug aussieht.
»Majaaaaaaa«, begrüßt sie mich stürmisch und fällt mir um den Hals. Es tut so gut, sie zu sehen, und ihre fröhliche und positive Stimmung überträgt sich augenblicklich auf mich.
Nachdem wir uns alle herzlich begrüßt und auf der Terrasse der ›Butterblume‹ mit Tee und ›Überlinger Küsschen‹, Erdbeeren mit Schlagsahne sowie einigen Schinken-Sandwiches (kleiner Willkommensgruß an die Amerikaner) gestärkt haben, bringe ich die ganze Familie hinüber zu
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