Wildrosengeheimnisse
ich diesen schon einmal gerochen habe, doch ich weiß im Moment nicht, wo. Wie ich auf den ersten Blick erkennen kann, fehlt nichts, doch es ist alles verwüstet. Stühle wurden umgeworfen, die schönen Gardinen heruntergerissen und ebenso die gemütlichen Kissen zerschlitzt. Gläser und Geschirr liegen in einem Scherbenhaufen auf dem Boden, auch Emilys wunderschön bemalte filigrane Ostereier sind kaputt. Doch das ist alles nicht das Schlimmste. Wo ist Jojo? Normalerweise kommt sie uns entgegengerannt, um uns zu begrüßen. Kälte kriecht auf einmal unter meine Jacke. Einer inneren Eingebung folgend, gehe ich in die Küche, aber nicht, bevor ich nicht Nini ins Treppenhaus geschickt habe, um zu überprüfen, ob die Tür zu unserer Wohnung geschlossen ist. Als ich die Küche betrete, sehe ich sie. Die kleine Hündin liegt reglos auf dem Küchenboden inmitten von Erbrochenem. Sie atmet, allerdings ganz schwach und ich höre ihr kleines Herzchen kaum klopfen.
»Nini, komm schnell!«, rufe ich und hole eine Decke, in die wir den reglosen Hundekörper einwickeln. Nini ist genauso entsetzt wie ich und wir laufen sofort los, setzen uns ins Auto und fahren zum Tierarzt. Wir haben Glück, denn Dr. Wiedemann wohnt im Haus der Praxis in Überlingen und öffnet uns in Jogginghose die Tür. Ohne viel zu sagen, bittet er uns herein und beginnt mit der Untersuchung.
»Das sieht mir ganz nach einer Vergiftung aus«, stellt er fest, als ich ihm von den Umständen und dem Erbrochenen erzähle.
Wahrscheinlich hat Jojo das Leben gerettet, dass sie sofort alles ausgespuckt hat. Der Tierarzt vermutet, dass der oder die Einbrecher der zutraulichen Hündin etwas Leckeres zu fressen gegeben haben, damit sie ungestört ihr Werk vollenden konnten. Nachdem er Jojo ein paar Spritzen verabreicht und uns jede Menge Medikamente für sie gegeben hat, machen wir uns auf den Heimweg. Sie soll sich ausruhen und wird die nächste Zeit vermutlich nicht so viel fressen. Gut, das schadet der kleinen Wampe nicht. Dennoch zittern meine Hände stark, als wir die mittlerweile wieder etwas muntere Jojo zurück ins Haus tragen. Habe ich mich die ganze Zeit zusammengerissen, breche ich beim Anblick des zerstörten Cafés in Tränen aus. Wer tut so etwas und warum? Vielleicht kann der Kommissar, Herr Harter, mir diese Frage beantworten, den ich sofort anrufe und der nur Minuten später zusammen mit ein paar Kollegen bei mir ist.
Doch anstatt mir mitzuteilen, wer für den Einbruch verantwortlich ist, stellt er die Frage: »Können Sie sich vorstellen, wer das gewesen sein könnte, Maja?« Dabei schaut er mich so mitfühlend an, dass ich am liebsten schon wieder in Tränen ausbrechen würde. Mir fällt auf, dass er mich zum ersten Mal Maja und nicht wie sonst Frau Winter nennt, und ich muss gestehen, dass mir das in dieser schrecklichen Situation einfach guttut.
»Ich habe keine Ahnung. Ich dachte, Sie könnten es mir sagen. Wer ist nur zu so etwas fähig?«, frage ich ihn verzweifelt.
»Das werden wir schon herausfinden. Ist Ihnen irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen, als Sie das Haus betreten haben, Frau Winter?« Seine beruhigende Stimme ist Balsam für mein verletztes Gemüt. Ich erzähle von dem merkwürdigen Duft und dass ich diesen schon einmal gerochen habe, mich aber nicht erinnern kann, wo das war. Nachdem Herr Harter und seine Kollegen alles, auch die eingeschlagene Scheibe und den Garten, gründlich untersucht und einige Fotos und Abdrücke der Fußspuren im Garten gemacht und wir festgestellt haben, dass nichts fehlt (nicht einmal die Einnahmen von gestern sind aus der Schublade verschwunden), wiegt Herr Harter bedächtig den Kopf.
»Es sieht so aus, als wollte nur jemand etwas mutwillig zerstören. Oder es hat jemand etwas gesucht. Doch was – und vor allem, warum ausgerechnet bei Ihnen?« Herr Harter blickt sich grübelnd in der Gaststube um.
»Meinen Sie, dieser Grothe könnte schon wieder hier gewesen sein?« So langsam wird mir das alles richtig unheimlich.
»Ich weiß nicht …«, Herr Harter kräuselt nachdenklich die Stirn.
Obwohl er schon einige Falten in seinem Gesicht hat, sieht er unglaublich attraktiv aus.
Auf einmal bekomme ich Lust, mich in seine starken Arme zu flüchten, um dort Schutz und Trost zu finden. Was für ein verrückter Gedanke. Ich kenne den Mann doch kaum. Wahrscheinlich ist das nur die Aufregung. Vermutlich kann er meine Gedanken erraten, denn er legt mitfühlend seine Hand auf meine.
»Maja, ich weiß,
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