Wildrosengeheimnisse
ist. Immerhin habe ich inzwischen erfahren, dass das Leben in der Gastronomie aus harter Arbeit und wenig Freizeit besteht. Allerdings wäre es schön, die beiden bei mir in der Nähe zu haben.
»Meinetwegen könnt ihr so lange in Friedas Haus bleiben, wie ihr wollt, Mama, von mir aus für immer. Ich freue mich unendlich, dass ihr hier seid.«
»Wirklich? Oh, Maja, du bist so ein Schatz. Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich vermisst habe.«
Und wenn sie wüsste, wie gut es mir gerade im Moment tut, meine Familie um mich herum zu haben. Menschen, denen ich vertrauen kann.
Weil im Café morgen Ruhetag ist, machen Nini, die sich einen Tag Lernpause verordnet hat, und ich mit den anderen einen kleinen Ausflug zu den Pfahlbauten nach Unteruhldingen. Diese kleinen Häuser, die auf Pfählen in den See gebaut wurden, sind Nachbauten von Originalhäusern, die tatsächlich in der Stein- und Bronzezeit auf Pfählen im Wasser standen. Sie sind einen Besuch wert. Man bekommt einen Eindruck davon, wie die Menschen 4000 bis 800 Jahre vor Christi Geburt am Bodensee gesiedelt haben. Irgendwie sehen die Häuschen im See so romantisch aus, obwohl das Leben zur damaligen Zeit sicher alles andere als romantisch war und die Menschen tagtäglich um ihr Überleben kämpfen mussten. Andererseits wird auch deutlich, dass die Familie zu jener Zeit einen starken Zusammenhalt bot und das Überleben sicherte. In unserer heutigen Single-Welt, in der viele alte Menschen in irgendwelche Heime abgeschoben werden, weil offenbar keiner mehr Lust und Zeit hat, sich um sie zu kümmern, kann man sich das gar nicht mehr richtig vorstellen.
Besonders die Amerikaner, Steve und seine Familie, sind begeistert von diesem Kulturgut. Voller Freude über den erholsamen Tag laden sie mich und Nini anschließend zum Essen in ein neues italienisches Restaurant ein. Es ist mit den dunklen Möbeln und tollen Lampen wunderschön und edel eingerichtet und befindet sich direkt an dem kleinen romantischen Hafen von Unteruhldingen. Bei den leckersten Mittelmeergerichten und erlesenem Wein erleben wir einen fröhlichen Abend, der mich von meinem Kummer und meinen Zweifeln an Christian ein wenig ablenkt. Als ich zur Toilette gehe, werde ich allerdings an der Bar aufgehalten.
»Guten Abend, schöne Frau.«
Diese schmierige Stimme kommt mir doch bekannt vor.
»Wie schön, Sie wiederzusehen.«
Das Vergnügen ist nun überhaupt nicht auf meiner Seite, denke ich im Stillen, sage jedoch laut: »Hallo, Herr Pacocini«, und dabei fällt mir ein, dass es vermutlich sein Lokal ist, welches hier in bester Lage am Hafen von Unteruhldingen liegt.
»Darf ich vorstellen: Das ist mein Neffe Giovanni. Giovanni, das ist Maja, Besitzerin der ›Butterblume‹ in Nußdorf, von der ich dir schon so viel erzählt habe.« Ich nicke diesem Giovanni kurz zu, der mich gerade von oben bis unten offenkundig mustert.
Wahrscheinlich versucht er insgeheim, das Schöne-Frau-Geschleime seines Onkels in Einklang mit meiner roten Jeans und dem weißen Blüschen zu bringen.
»Haben Sie einmal über mein Angebot nachgedacht?«
»Welches, Herr Pacocini?«
Darauf grinst er nur unverschämt und sieht mich herausfordernd an.
»Das Angebot, Ihnen zu helfen, wenn Sie einmal Probleme mit Ihrem Café haben sollten.«
Dieser unverschämte Kerl.
»Warum sollte ich Probleme haben mit meinem Café?«, frage ich zurück und spüre, wie kalte Wut in mir aufsteigt. Den Ramazotti, den er anschließend an den Tisch bringen lässt, lasse ich selbstverständlich stehen. Mag sein, dass er sich für den Allergrößten hält. Mich kann er jedenfalls nicht beeindrucken. Phh, Probleme. Das einzige Problem, das ich im Moment gerade habe, ist das, dass mich dieser arrogante Zwuckel wütend macht. In dieses Lokal gehe ich jedenfalls so schnell nicht wieder.
Als wir in die Seestraße zurückkehren, lassen Nini und ich uns von den anderen noch zu einem Schlummertrunk in Friedas Haus überreden, wo wir den Abend mit lustigen Erzählungen aus Detroit ausklingen lassen. Nahe der ›Butterblume‹ spüre ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Es ist nur ein Gefühl und ich kann nicht einmal sagen, was anders ist als sonst. Doch als wir die Haustür aufschließen, sehe ich die Bescherung. Offenbar hat jemand die Terrassentür zum Gastraum eingeschlagen und ist in das Café eingebrochen. Ein seltsamer Geruch liegt in der Luft, eine Mischung aus Zigarettenrauch und irgendeinem süßlichen Herrenduft. Ich könnte schwören, dass
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