Wildrosengeheimnisse
ihrer Gymnastikrunde hereinschneien und das Aktuellste vom Tage zum Besten geben. Dabei sehen sie alle so tiptop geföhnt und gestylt aus, dass ich mich frage, ob sie überhaupt bei der Gymnastik waren.
Wie immer gibt Frau Möhrle auch heute den Ton an: »Weiß man schon was Neues von dieser Isabella?«, fragt sie in die Runde.
Die anderen schütteln den Kopf. Umso besser, kann Frau Möhrle doch ihre eigenen Neuigkeiten zum Besten geben.
»Also, ich hab noch mal mit meiner Frisörin geschwätzt.« Und dabei schüttelt sie ihr frisch getöntes und geföhntes Haupt.
»Und die hat erzählt, dass ihre Schwägerin mit der Frau Steinle geschwätzt hat und die hat g’sagt, dass die Isabella sich im letschte Sommer und Herbscht öfter mal ausm Haus geschliche hat, vermutlich, wenn der Alte seinen Rausch ausg’schlafe hat. Des hätt sie aus’m Fenschter beobachtet. Und sie hätt sie nie zrückkomme sähe, bis auf einmal, als Frau Steinle net schlafe konnt und bei Vollmond ausm Fenschter g’sähe hot. Da isch die Isabella erscht heimkomme. Also hat sie doch en Liebhaber g’habt.«
»Dann wird sie mit dem auf und davon sei«, sagt Monika Besser. »Oder der Alte hat se doch umgebracht, weil er ihr drauf gekommen isch. G’walttätig wie der immer war, wär des doch kein Wunder. Der hat doch nicht seelenruhig zugeschaut, wie sie mit einem anderen abhaut.«
»Das ist interessant«, meint Ruth Müller. »Im letzten Sommer hat Isabella sich aus dem Haus geschlichen. Dann war das also ihr Liebhaber, der hübsche Blonde, mit dem ich sie im Kanu gesehen habe.«
»Oder es war der andere. Mit dem ich sie im Aran g’sähe hab«, meint Jutta, »und der neulich hier im Garten war.« Ihre Stimme wird plötzlich leise.
Sie meint Christian. Meinen Christian. Aber warum soll denn Christian der Liebhaber von Isabella sein? Immerhin haben wir uns doch im letzten Sommer ineinander verliebt. Allerdings gab es da auch eine gewisse Zeit Funkstille zwischen uns. Ob er damals etwa etwas mit Isabella angefangen hat? Zugegeben, sie ist eine überaus hübsche Frau. Möglich wäre es. Er wäre nicht der einzige Mann, der zweigleisig fährt. Ich fühle den Stachel der Eifersucht an mir nagen. Habe ich mich gerade eben ein bisschen besser gefühlt, wird mir jetzt schon wieder schlecht. Warum kann ich Christian nicht vertrauen?
›Misstrauen essen Liebe auf‹, hat Emily frei nach dem Fassbinder-Film gedichtet. Und sie hat vermutlich recht. Wenn ich so weitermache, wird unsere Liebe kaputtgehen. Und das, obwohl ich nicht einmal sicher weiß, ob Christian überhaupt etwas mit dieser Isabella und ihrem Verschwinden zu tun hat. Also gehe ich mutig an den Tisch der Damen und sage laut: »Wenn Sie von dem Mann sprechen, den Sie neulich im Garten gesehen haben, dann meinen Sie wahrscheinlich Herrn Keller. Und dieser ist nicht nur der Eigentümer des Hauses, sondern zufälligerweise auch mein Freund.« Und dabei sehe ich besonders diese Jutta selbstbewusst an. »Und es sollte mich doch sehr wundern, wenn er der Liebhaber dieser Frau Grothe wäre.«
Darauf sind die Damen so verdutzt, dass sie sich mit »Ja, wir meinen ja bloß … Niemand von uns denkt, dass er etwas mit dem Verschwinden zu tun hat …« und so weiter herausreden.
Sofort, als ich nach meiner kurzen Rede den Tisch verlassen habe, beginnen sie verlegen über ein neues Thema zu reden. Anscheinend gibt es Neuigkeiten vom Yachtclub-Präsidenten, der seiner jungen Geliebten zuliebe jetzt sogar aus dem Segelclub austreten will.
»Die arme Marlies. Aber so geht’s halt, wenn man nicht auf die Männer aufpasst. Ich bin soo froh, dass mein Hubert nicht so isch. Also dem tät ich aber auch die Henne rein, wenn der so was tät«, ereifert sich diese Jutta.
Was für ein Glück, dass in ihrer Familie offenbar alles Friede-Freude-Eierkuchen ist, denke ich. Vermutlich traut sich der liebe Hubert auch gar nicht aufzumucken oder sonst irgendeine außereheliche Aktivität zu pflegen, die nichts mit dem Baumarkt oder dem Tennisclub zu tun hat. In diesem Moment kommt auch schon Hubert um die Ecke, um seine Jutta abzuholen.
Bevor ich ihn fragen kann, ob er vielleicht auch etwas trinken möchte, wirft ihm seine Angetraute einen wütenden Blick zu.
»Das wird aber auch Zeit«, begrüßt sie ihn mürrisch. »Wo warsch du? Wir wollten doch noch in das Gartencenter. Das macht doch sonscht zu.«
Betreten sieht Hubert von einer BBP-Lady zur nächsten. Dass er – der ein erfolgreicher Ingenieur ist –
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