Wildrosengeheimnisse
jemand, der mir ziemlich vertraut ist – Christian. Das muss ich mir genauer ansehen. Schnell winke ich den Kellner heran und bezahle meinen Cappuccino. Dann schleiche ich mich an den großen Blumenkübeln vorbei bis vor das Restaurant. Hoffentlich können sie mich nicht sehen.
Ich muss unbedingt noch näher ran.
Diese blöde Palme ist total im Weg. Beim Versuch, sie beiseitezuschieben, steche ich mir einen Zweig direkt ins Auge. Na ja, nicht direkt, sonst wäre ich jetzt vermutlich blind. Also knapp daneben, aber der Schmerz ist höllisch und treibt mir die Tränen in die Augen. Doch nicht nur der Schmerz bringt mich zum Weinen. Ich habe genug gesehen. Es ist tatsächlich Christian, der in Pacocinis Restaurant mit ihm zusammensitzt. Und das kann nur eines bedeuten: Nach dem Streit mit mir gestern Abend wird er die ›Butterblume‹ an Pacocini verpachten. So unauffällig wie möglich drücke ich mich an den Blumen vorbei, laufe zu meinem Rad und radle traurig nach Hause zurück.
*
Am Nachmittag ruft Christian zweimal auf meinem Handy an, doch ich nehme nicht ab. Ich habe genug gesehen und weiß jetzt, dass er sich mit diesem zwielichtigen Pacocini eingelassen hat. Stattdessen tippe ich mit vor Wut zitternden Fingern eine SMS mit dem Wortlaut:
›Lass mich bitte in Zukunft in Ruhe. Alles Gute für dich und die arme Daniela – Maja‹
und schicke diese, noch bevor ich es mir anders überlegen kann, gleich ab.
Wie kann er nur. Bestimmt hat ihm dieser Pacocini ein Spitzenangebot für die ›Butterblume‹ unterbreitet. Da Christian sowieso so gut wie nie hier ist, hat er doch gar keinen Nutzen von diesem schönen Haus. Und die Pacht, die ursprünglich für die ›Butterblume‹ vorgesehen war, ist lächerlich gering. Dabei durfte ich sie bis jetzt nicht ein einziges Mal bezahlen. Und zwar nur aus dem einzigen Grund: Weil wir ein Paar waren. Waren.
Der Gedanke, dass dies jetzt Vergangenheit ist und ich nicht so ganz unschuldig daran bin, ist das Schlimmste für mich.
Wie soll es denn jetzt weitergehen?
Ich denke an Frieda und daran, dass die kleine Ostfriesin alle Schmerzen, egal ob körperlicher oder seelischer Art, mit einer guten Tasse Tee kuriert hat und bereite mir gleich eine ganze Kanne von dem köstlichen Getränk.
Dann nehme ich meine Lieblings-Rosentasse und setze mich damit auf die Terrasse.
Wie himmlisch ruhig es doch ist, besonders, wenn keine Gäste da sind.
Wie lange werde ich noch hier sitzen und den Blick auf den See und die Berge genießen können? Der Gedanke, vielleicht bald ausziehen zu müssen, zerreißt mir das Herz.
Wenn Christian die ›Butterblume‹ an diesen schmierigen Pacocini verkauft oder verpachtet, dann wird hier schon sehr bald ein weiterer Edelitaliener entstehen, der, wie alle seine Lokale am See, in der Saison Tausende von Touristen anlocken wird.
»Hallo, Maja«, unterbricht eine Stimme meine Gedanken.
»Michael. Das ist eine Überraschung. Wieso kommst du durch den Garten?«
Ich freue mich richtig, den netten Kommissar zu sehen.
»Nun, da heute Ruhetag ist, ich aber dachte, dass du eventuell doch zu Hause sein könntest, war es ein Versuch. Ich möchte dich aber nicht überfallen. Wenn ich störe, dann gehe ich wieder«, strahlt Michael mich an.
»Aber nein, du störst nicht, ich freue mich. Komm die Treppe herauf. Möchtest du eine Tasse Tee mit mir trinken?«
Ehrlich gesagt, war ich selten derart froh über eine überraschende Ablenkung wie heute.
»Tee? Bei dieser Wärme wäre mir etwas Kaltes lieber, ein Wasser oder eine Apfelschorle vielleicht.«
Michael sieht heute wieder großartig aus. Er trägt Jeans und ein hellblaues Hemd, was ganz fantastisch zu seinen schönen blauen Augen passt.
»Ist alles in Ordnung, Maja?«, fragt er besorgt. »Du siehst ein wenig blass aus heute.«
»Ich bin nur hundemüde, das ist alles. Schlecht geschlafen heute Nacht. Wahrscheinlich ist Vollmond oder so was.«
»Keine besonderen Vorkommnisse? Keine Schatten im Garten?«
»Höchstens unter den Augen«, scherze ich, doch habe ich das Gefühl, ihm nichts vormachen zu können.
»Bleib sitzen, Maja. Wenn du erlaubst, gehe ich in deine Küche und hole mir mein Wasser. Ich muss sowieso mal zur Toilette.«
Als er kurze Zeit später wiederkommt, hat er nicht nur einen Krug mit eiskalter Apfelsaftschorle auf dem Tablett stehen, sondern auch noch zwei Teller mit Himbeer- und Zitronen-Küsschen.
»Toll machst du das. Also, wenn du einmal den Job wechseln möchtest, hätte
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