Wildrosengeheimnisse
keine Anzeige für euch. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Sache einmalig und zum Eigenverbrauch bestimmt ist und nicht auf dem Schulhof verkauft wird. Aber es wäre nicht schlecht, du würdest ein klärendes Gespräch unter Frauen mit deiner Tochter führen. Ob das wirklich eine einmalige Sache war. Schließlich wirst du nicht wollen, dass Nini regelmäßig einen Joint raucht.«
»Wo denkst du hin? Nini ist doch keine Drogenabhängige. Sie verachtet Drogen aller Art. Ich verstehe das alles nicht. Sie raucht nicht einmal Zigaretten, trinkt höchstens mal ein Gläschen im ›Galgen‹. Also, die kann sich auf was gefasst machen«, schimpfe ich empört.
»Warte, Maja. Das musst du vorsichtig angehen. Mit Beschimpfungen und Verboten erreichst du gar nichts. Das wirst du als gute Mutter sicher wissen.«
Pah, als ob ich das nicht tatsächlich selbst wüsste.
»Hör zu, Maja, wir stellen die Tasche jetzt wieder hin und machen unseren Spaziergang wie geplant. Das wird dich auf andere Gedanken bringen und dein Gemüt etwas abkühlen. Und heute Abend oder morgen früh redest du ganz in Ruhe mit Nini, okay?«
Michael sieht mir fest in die Augen.
»Okay?«
»Na gut.«
Ich atme tief durch. Was für ein Tag. Ich bin noch wütend und gleichzeitig enttäuscht, sowohl von Christian als auch von Nini. Doch etwas Ablenkung wird mir wahrscheinlich guttun und deshalb schnappe ich meine Strickjacke, steige in Michaels alten Geländewagen und fahre mit ihm am See entlang Richtung Insel Reichenau.
*
Leider scheint das Wetter umzuschlagen. Die ganze Zeit schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel und der See ruhte in tiefem Blau. Doch schon während unserer Fahrt Richtung Konstanz frischt der Wind auf und treibt große Wolken über den Himmel. Auch das Wasser hat sich verändert und weiße Schaumkronen hüpfen auf den Wellen. Aber noch scheint die Sonne und lässt das viele Grün rings um den See satt und saftig erscheinen. Auch die Starkwindwarnung ist bereits im Einsatz. Da so eine Sturmböe am See völlig überraschend auftreten und teilweise meterhohe Wellen hervorrufen kann, müssen die Wassersportler, insbesondere ortsunkundige, rechtzeitig gewarnt werden. Ich bin froh, dass ich die Strickjacke dabei habe, denn als wir aussteigen, merke ich, dass es bereits ein wenig kühler geworden ist. Doch ich liebe diesen Wind, er wird meine trüben Gedanken und Gefühle hoffentlich vertreiben. Schweigend gehen Michael und ich am Seeufer nebeneinander her, jeder für sich in seine Gedanken versunken. Ihn beschäftigen sicher die Erinnerungen an Stefanie, während mich der Gedanke an das gefundene Haschischpäckchen nicht loslässt. Seit wann kommt Nini auf solche Gedanken? Niemals hätte ich so etwas auch nur für möglich gehalten. Wir haben doch so ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis, warum hat sie mir nichts davon erzählt? Andererseits hat Michael gesagt, dass die wenigsten Eltern eingeweiht sind, dass ihre Kinder hin und wieder einen Joint rauchen. Aber ob es nur hin und wieder ist? Und was, wenn sie auch noch andere Rauschgifte konsumiert? Sagt man nicht immer, Hasch sei oft die Einstiegsdroge? Vielleicht steckt dieser Ben dahinter. Ja, so wird es sein. Ich kenne ihn gar nicht gut. Natürlich ist er häufig bei uns und hat sich bis jetzt von seiner netten und liebenswürdigen Seite gezeigt. Aber würde das nicht jeder tun?
»Maja, du bist total in Gedanken«, lacht Michael. »Schau nur, wie schön es hier ist.«
Er hat recht: Es ist traumhaft.
Wir stehen vor der ›Sandseele‹, der Gaststätte des Campingplatzes am Südufer der Insel.
»Was hältst du von einem leckeren Salat mit Fischknusperle? Komm, ich lade dich ein.«
Mit diesen Worten zieht er mich bereits um die Ecke, weil er auf der gemütlichen Terrasse ein schönes, windgeschütztes Tischchen für uns erspäht hat. Nun sitzen wir praktisch in der ersten Reihe direkt am See und können den herrlichen Ausblick und die wunderbare Abendstimmung genießen. Es ist recht einfach hier, aber die ganze Atmosphäre ist herrlich entspannt und man spürt, dass die Gastgeber ihre Arbeit mit viel Liebe und Freude am Umgang mit Menschen betreiben. Während Michael sich kurz entschuldigt, um für uns das Essen am Tresen zu holen, denke ich über den Abend im letzten Sommer nach, als ich mit Leon in diesem französischen In-Lokal auf der Reichenau war. Welch ein Unterschied zu hier. Dort war alles so unterkühlt und satt wurde man auch nicht. Ich weiß nicht einmal,
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