Wildrosengeheimnisse
nicht auf dumme Gedanken. Dem würde ich auch was erzählen. Und wenn ich die Marlies wäre, ausziehen würde ich den bei einer Scheidung, bis aufs Hemd. Von wegen selbst arbeiten müssen und der vergnügt sich. Also, geht’s noch?«
Und so tönt es weiter. Ich höre nur noch mit halbem Ohr hin, weil ich überall gleichzeitig gerufen werde.
Hellhörig werde ich nur noch einmal, als es wieder um die verschwundene Isabella geht.
Offenbar sind neue Informationen aufgetaucht, nach denen Isabella wohl ein jahrelanges Martyrium hinter sich hatte. Dieser Ronny Grothe scheint sie demnach recht häufig geschlagen zu haben, jedenfalls wurde sie oft mit blauen Flecken gesehen. In der Öffentlichkeit trat sie nett und freundlich auf, hatte jedoch etwas Zurückhaltendes und Ängstliches an sich.
»Warum bleibt eine Frau bei so einem Mann, wenn der sie nur schlecht behandelt und schlägt? Noch dazu so eine Hübsche. Also ich versteh’ das nicht, ich hätte den verlassen, schon längst«, regt Veronika sich auf. Ihr sonst so freundliches Gesicht ist vor Wut knallrot.
»So einfach ist das manchmal nicht«, gibt die sinnierende Ruth zu bedenken. »Ich habe da einmal einen ganz interessanten Artikel in der ›emotion‹ darüber gelesen. Anscheinend kommt Gewalt in der Ehe auch in der heutigen Zeit gar nicht so selten vor. Es sind auch nicht immer die ungebildeten oder hässlichen Frauen, die bei so einem Mann bleiben, sondern oft gerade die, die an jedem Finger zehn haben können. Schlagen ist ein Zeichen von Schwäche. Und vielleicht fühlt sich bei einer solchen Frau ein labiler Mann unterlegen. Er fühlt sich nur dann stark, wenn er sie demütigen oder körperlich verletzen kann, so blöd, wie sich das vielleicht anhört.«
»Trotzdem. Ich würd’ dem den Kochtopf über den Kopf schlagen und abhauen.« Auch Jutta ist der Meinung ihrer Freundin Veronika.
»Das ist für manche Frauen eben nicht so einfach. Zum einen haben sie oft niemanden, dem sie sich anvertrauen können oder mögen, der sie auffängt, moralisch und finanziell unterstützt«, zitiert Ruth wieder den Artikel. »Immerhin verwenden sie ihre ganze Kraft darauf, den Schein nach außen zu wahren. Insgeheim glauben viele sogar, es sei alles ihre Schuld, und wenn sie sich nur mehr Mühe gäben, würde das nicht noch einmal vorkommen. Zumal solche Männer, nachdem sie die Frau misshandelt haben, oft fürchterlich reumütig sind und das Blaue vom Himmel versprechen, so dass die Frau glaubt, es würde alles wieder gut …«
»Und das geht so lange gut oder vielmehr nicht gut, bis ein anderer auftaucht. Also, ich glaub ja, dass diese Isabella einen anderen kennengelernt und der Ronny das herausgefunden hat. Dann hat er sie totgeschlagen oder mit dem Messer erstochen oder sonst was und die Leiche in den See geworfen. Den hat er am Campingplatz direkt vor der Tür.«
Veronika macht eine bedeutungsvolle Pause.
»Na, das wird die Polizei schon herausfinden«, antwortet Jutta. »Ich konnte denen jedenfalls erzählen, dass ich die Isabella am Tag, als sie verschwunden ist, im Café Aran gesehen hab’. Mit einem anderen Mann, der dann später hier im Garten war.« Sie senkt verschwörerisch die Stimme, so dass ich nichts mehr verstehen kann.
Mit kleinen Väschen, die ich mit Rosen aus dem Garten bestückt habe, schleiche ich näher an ihren Tisch heran, in der Hoffnung, erneut Gesprächsfetzen aufzuschnappen.
Und tatsächlich kann auch Veronika etwas Neues von der Nachbarin der Grothes zum Besten geben. Diese hat wohl der Frisörin von Veronika erzählt, dass sie die verschwundene Isabella einige Male mit einem anderen Mann in einem fremden Auto gesehen habe, in einem alten Volvo.
Ich atme tief durch. Also muss es ganz offensichtlich Christian gewesen sein. Leider kann ich nicht weiter zuhören, da die Fahrradtruppe mich zum Zahlen ruft und ich auf die Terrasse hinausmuss.
Kaum sind sie gegangen, setzt sich eine neue Gruppe, bestehend aus einigen Wanderern, an die frei gewordenen Tische und will sogleich die Bestellung aufgeben.
Ich muss erst das Geschirr abräumen. Auf dem Weg in die Küche rufen die BBP-Ladys ebenfalls: »Zahlen.«
In der Küche stelle ich das Geschirr ab, mache die Tür hinter mir zu und schreie ganz laut: »Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhh.«
Dann gehe ich mit einem Lächeln wieder hinaus, begrüße die neuen Gäste und frage:
»Was kann ich für Sie tun?«
Als ich in die Küche zurückkomme, steht meine Mutter an der
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