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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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verbunden ist, wie eine Boje treiben und kämpfe mich zum Ufer zurück. Ich zerre die Tüte ins Wasser und wate erneut in Richtung Teichmitte, wobei ich einen Bogen um die schlimmste Modderstelle mache. Ich wuchte die Tüte auf das Mumienpaket und platziere sie mittig darauf. Luftblasen steigen auf, die Leiche sinkt. Ich ergreife die Holzlatte und gebe dem Ganzen einen Stoß in noch tiefere Gefilde. Mit einem großen Blubb verschwindet Müller unter der Wasseroberfläche.

    Erst nachdem ich meinen Wagen erreicht habe, wage ich einen Blick zurück: Still und starr ruht der See, als wäre nichts gewesen. Dornröschen schläft weiter.
    Ich rupfe den Stiefmütterchen, die ich gestern im Baumarkt gekauft habe, die Köpfe ab und kehre zum Ufer zurück. Andächtig lasse ich die Blüten ins Wasser segeln und spreche ein stummes Gebet. Finde deinen Frieden, Thomas Müller. Tom. Werde eins mit dem Universum. Und tauche bitte nicht so schnell wieder auf.
    Okay. Nichts wie weg hier!

    Ich sprinte zu meinem Wagen, werfe mich hinters Lenkrad und mache mich aus dem Staub – mit den vorgeschriebenen Tempo 30, um nicht doch noch Aufmerksamkeit zu erregen.
    Ich durchquere Altwindeck, lasse das Dorf hinter mir und halte auf freiem Feld an der Landstraße. Ein Blick auf die Uhr: Die ganze Aktion hat keine halbe Stunde gedauert, auch wenn es gefühlte zwei Stunden waren. Gut gemacht! Ich drehe die Heizung auf und das Gebläse auf Anschlag, schäle mich aus meinen nassen Sachen, rubble mich mit der zweiten Decke, die ich im Wagen habe, trocken. Eilig schlüpfe ich in Jeans und Pullover, ziehe meine Jacke über, breite die Decke über mir aus und rolle mich schlotternd auf dem Sitz zusammen.
    Kaum zu fassen, ich habe es geschafft. Müller ist weg! Am helllichten Tag – nun ja, sind wir bescheiden und sagen: bei Tagesanbruch – ist es mir gelungen, unbemerkt einen Toten in einem Teich zu versenken. Das ist verrückt. Komplett verrückt.
    Aber manchmal werden gerade die größten Verrücktheiten wahr, weil niemand mit ihnen rechnet.

9
    Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann.
    Mark Twain

    Ich liege auf einem samtbezogenen Diwan, träge, beinahe unfähig, mich zu rühren. Die Atmosphäre ist wattig, Licht und Musik: alles gedämpft. Ein wohliger Nebel umhüllt mich, mein Körper scheint schwerelos. Ich strecke die Hand aus, führe die Wasserpfeife zum Mund, will noch tiefer abtauchen ins Vergessen, doch das Schrillen eines Telefons hindert mich daran. Unerbittlich fräst es sich an die Oberfläche meines Bewusstseins und zwingt mich schließlich, die Augen zu öffnen.
    Zu meinem großen Bedauern finde ich mich nicht auf einem orientalischen Sofa, sondern auf dem Rücksitz meines Wagens wieder, den ich mit einem halben Fläschchen Duftöl der Note ›Marokkanische Nächte‹ präpariert habe, um den Pferdemief zu vertreiben. Vorn auf dem Beifahrersitz schrillt der gelbe Knochen.
    Ich angele ihn mir und blaffe in den Hörer: »Waskovic, wenn Sie mich drankriegen wollen, müssen Sie früher aufstehen.« Angriff ist noch immer die beste Verteidigung.
    »Wie kommst du darauf, dass ich dich drankriegen will, Engelchen?«, fragt er aufgeräumt.
    »Sie haben mir Ernie auf den Hals gehetzt, da ist die Vermutung naheliegend.«
    »Wer ist Ernie?«
    »Das ist der kleine Dicke mit der Sesamstraßenfrisur. Er hat eine ausgesprochen hässliche Visage und Salatblattohren. Klingelt’s?«
    Ich höre Waskovic amüsiert schnauben. »Ernst wäre ziemlich gekränkt, wenn er hören würde, wie du über ihn sprichst.«
    »Warum hat er mir aufgelauert?«
    »Auflauern! Wer spricht denn von Auflauern!« Waskovic spielt den Entrüsteten. »Wir wollten lediglich ein paar Fotos von dir schießen – damit du deine Abenteuertour in guter Erinnerung behältst.«
    »Okay, Waskovic, Sie haben mich reingelegt, nach Strich und Faden verarscht! Sagen mir, ich soll die Leiche wegschaffen, um nicht unter Mordverdacht zu geraten, und knipsen mich dann dabei, wie ich sie beseitige. Wirklich clever! Leider hat’s mit der Ausführung gehapert. Ich glaube, Ihr Ernie ist einfach nicht genug auf Zack, um mir beizukommen.«
    »Du bist wirklich ein bisschen hart mit ihm ins Gericht gegangen!«, findet Waskovic. »Er sieht aus, als hätte er gegen Mike Tyson geboxt.«
    »Ich bin Tysons Schwester, wussten Sie das nicht?«
    Jetzt lacht er offen. »Herzchen, ich mag Leute mit Humor!«
    »Was Sie nicht sagen. Ist das der Grund, weshalb Sie mich nicht auch gleich

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