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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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ziehe mich wieder in das schützende Halbdunkel zurück und wähle seine Nummer. Er geht sofort ran.
    »Jojo, na endlich!«
    »Du hast angerufen«, stelle ich fest.
    »Ja, gestern Abend schon.«
    »Mein Akku war leer, und ich hatte gerade keinen Generator bei mir.«
    »Wirfst du mich aus dem Bett, um Witze zu machen?«, pampt er mich an.
    Ich sage ihm nicht, dass er gestern erst damit geprahlt hat, mit den Hühnern aufzustehen. Ich sage ihm außerdem nicht, dass er gar nicht mehr geschlafen haben kann, da er sonst niemals dermaßen schnell am Telefon gewesen wäre, kreuzlahm, wie er ist. Stattdessen, und obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, kein Wort darüber zu verlieren, höre ich mich sagen: »Waskovics Frau ist tot.«
    »Was?!«
    »Sie liegt in einer ehemaligen Erzgrube in Windeck.«
    »In einer Erzgrube? Das wird ja immer besser! Und woher weißt du davon?«
    »Ich hab sie gesehen, Herbert«, sage ich leise. »Aber da war sie schon tot.«
    »Du siehst Tote?! Jetzt siehst du auch noch Tote??! Wie der Knabe in ›The Sixth Sense‹, oder was?« Er verschluckt sich fast, und es ist klar, dass er mich absichtlich missversteht.
    »Ich habe sie wirklich gesehen«, sage ich kleinlaut.
    »Genau wie diesen Müller«, ergänzt Herbert.
    »Genau wie Müller, richtig.«
    »Und jetzt lass mich raten, wonach es aussieht!«
    »Du brauchst nicht zu raten. Es wird danach aussehen.«
    Schweigen.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!!!«, brüllt Herbert unvermittelt los.
    Ich warte, bis er sich wieder beruhigt hat, und frage: »Gibt es etwas Neues wegen Salzmann?«
    Herbert schnaubt. »Nach dem kräht kein Hahn. Es liegt keine Anzeige gegen ihn vor, er gilt nicht als vermisst, nichts dergleichen. Bei hill & valley heißt es lediglich, er habe Urlaub. Und seine Leiche hat offenbar auch noch niemand gefunden.«
    »Immerhin«, murmele ich.
    »Kann ja noch kommen«, giftet Herbert. »Wenn du die Finger im Spiel hast …«
    »Du hast keine Idee, wo er sich aufhalten könnte?«, frage ich.
    »Keine Ahnung, sein Handy ist ausgeschaltet. Aber was ist mit dieser …«
    »Und seine Adresse hast du geprüft? Er sitzt nicht zufällig bei sich zu Hause?«
    »Nein, sitzt er nicht, verdammt! Ich war da und hab nachgesehen.«
    »Ach, du kannst wieder hinters Steuer?«, wundere ich mich. Herbert schweigt, ich habe seinen wunden Punkt getroffen.
    »Erika hat mich gefahren«, gesteht er schließlich ein.
    »Oh shit!« Ich weiß, die Antwort ist nicht besonders taktvoll, doch wenn ich mir vorstelle, dass nun auch noch die dicke, unbedarfte Erika geradewegs in den Waskovic’schen Sumpf hineinsteuert, wird mir ganz anders.
    »Er ist nicht da«, wiederholt Herbert gereizt. »Schon seit Tagen nicht, wie der Nachbar meinte.«
    Wie, zum Kuckuck, soll ich die Sache angehen, wenn ich Salzmann nicht zu fassen kriege? Wo soll ich sonst anfangen, zu graben?
    »Da ist allerdings noch das Handy seiner Frau …«, meint Herbert zögernd.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Frau da mit drin hängt«, sage ich und denke dabei an Vanessa. »Dieser Salzmann scheint das Ding eher mit weiblicher Unterstützung von anderer Seite durchgezogen zu haben.«
    »Nein, bestimmt hängt seine Frau nicht mit drin«, erklärt Herbert mit ironischem Unterton.
    »Warum bist du dir da so sicher?«, will ich wissen. Er kennt die Geschichte mit Vanessa schließlich gar nicht.
    »Warum ich mir sicher bin? Weil Sylvia Salzmann seit zwei Jahren tot ist, deswegen.«
    »Sie ist tot?!« Jetzt komme ich nicht mehr mit.
    »War ein Autounfall«, schiebt er nach.
    »Aber du sagtest, ihr Handy …«
    »Das ist quicklebendig, völlig richtig. Ich habe hier die Koordinaten, ein Funkmast irgendwo in der Nähe von Waldbröl, wie’s aussieht.«
    »Und du meinst …«
    »Genau das meine ich.«
    »Kann ich die Nummer haben?«
    Herbert will sie mir nur geben, wenn ich ihm sage, was mit Waskovics Frau passiert ist. Ich verspreche, ihm alles der Reihe nach zu erklären, sobald ich mir die Nummer notiert habe. Nachdem er sie mir widerwillig genannt hat, lege ich auf.

    Ich habe ihn, ich habe den Kerl! Und er ist nicht einmal weit weg. Waldbröl liegt kaum mehr als einen Katzensprung von hier entfernt. Fährt er vielleicht die gleiche Taktik wie ich und harrt hier in der Gegend aus, wo alle Welt annehmen müsste, er habe das Weite gesucht?
    Sollte ich ihn tatsächlich gefunden haben, ist das zumindest ein Anfang. Womöglich bin ich wenigstens in diesem Punkt einen Schritt weiter als Waskovic –

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