Wildwasserpolka
Plantagen stehen, war mal Urwald, verstehen Sie?«
Ich weiß nicht, ob er recht hat. An dem, was er sagt, ist sicher was dran, aber ich spüre auch, dass er sein Verhalten in irgendeiner Form zu legitimieren versucht. Kein Wunder. Wahrscheinlich hat er kapiert, dass ich ihn momentan in der Hand habe und dass es unangenehme Folgen für ihn haben kann, wenn er mich zu sehr verärgert.
»Ich bin kein Umweltexperte, ich kann das nicht beurteilen«, erkläre ich, weil ich das Thema abschließen will.
»Dann sparen Sie sich diesen arroganten Unterton«, pampt er mich an. Okay, seine Rechtfertigungsversuche gehen nicht gerade so weit, dass er sich einschleimen würde. Und er ist noch nicht fertig. »Ich kann nichts für das Elend der Welt«, meint er. »Wenn die da unten ihre Wälder abholzen, dann sollen sie doch! Bitte schön! Wie fänden wir es denn, wenn sich irgendwelche Indonesier in unsere Angelegenheiten einmischen würden?«
»Aber der Fortbestand der Tropenwälder geht uns alle an!«, werfe ich ein, politisch korrekt bis in die Haarspitzen, und ich verstehe sogar, dass er lacht.
»Aber der Fortbestand der Tropenwälder geht uns alle an!«, äfft er mich nach, wenn auch auf halbwegs gutmütige Art. »Was würden Sie denn sagen, wenn einer aus Borneo oder Java oder meinetwegen Kalkutta vor Ihrer Tür stünde und forderte: ›Schaffen Sie sofort Ihr Auto ab, das ist nicht gut für unsere Umwelt.‹?« Er verzieht abfällig den Mund. »Wenn ich dieses Geschwätz schon höre!«
»Und was ist mit den Orang-Utans?« Ich denke an die großen, blanken Augen verzweifelter Babyäffchen, die mutterlos inmitten gefällter Baumriesen hocken. Ist Salzmann ein Orang-Utan-Mörder? Ein Babyaffenkiller? Die kommen für mich gleich nach Kinderschändern. Und nicht nur für mich.
»Ach, die Orang-Utans!« Er schlägt einen gespielt mitleidigen Ton an. »Bei einem kleinen, hilflosen Äffchen kriegen die Leute Pipi in die Augen, aber ob da unten ein zahnloser Mittdreißiger mit fünfköpfiger Familie noch einen Job hat oder nicht, danach fragt keiner, das ist euch völlig egal. So etwas nenne ich bigott und dumm, und ihr Frauen tut euch da besonders hervor«, klärt er mich auf.
Wie bitte? Habe ich gerade richtig gehört? Ich hätte nicht übel Lust, die PB noch einmal auf ihre Tauglichkeit zu testen, doch mir kommt der Gedanke, dass Salzmann mich absichtlich provoziert, weil er offenbar vom Thema ablenken will.
»Schön«, sage ich. »Uns Frauen fehlt eben der Weitblick, die großen Zusammenhänge überschauen wir nicht. Dafür die kleinen umso besser. Und was ich mich schon die ganze Zeit frage, ist, was ihr beide eigentlich verbrochen habt, Müller und du, wo ihr euch doch mit Waskovic darüber einig wart, dass ihr der Welt nur Gutes tut? Was hat ihn so gegen euch aufgebracht?«
Salzmann braucht einen Moment, ehe er sich wieder besinnt. »Das Ganze ist nicht so leicht zu bewerkstelligen, wie es sich vielleicht angehört hat«, erklärt er. »Man riskiert einiges. Jeder, der mitmischt, riskiert eine Menge. Aber Waskovic hat uns auf eine Art abgespeist, als wäre das Ganze nur ein Zubrot für uns. Seiner Meinung nach gehörte der Löwenanteil ihm, weil die Deals über seine Firma liefen. Müller, Kemper und ich bekamen etwa ein Drittel des Gewinns, Waskovic den Rest. Das war der Knackpunkt.«
»Was ist mit diesem Kemper? War der zufrieden mit der Situation?«
Salzmann zuckt die Achseln. »Der ist mit allem zufrieden, wenn er nur bald genug zusammen hat, um in den Vorruhestand zu gehen und seiner Frau beim Schmetterlingezählen zu helfen. Außerdem hat er in der Sache längst nicht so viel verantwortet wie Müller und ich. Er war eigentlich nur Mitwisser.«
»Wie kommen Sie auf Schmetterlinge?«, werfe ich ein.
»Spielt doch keine Rolle.«
»Doch, und wie! Was hat Kempers Frau mit Schmetterlingen zu tun?«
»Ist ihr Hobby«, meint er achselzuckend. »Sie führt irgendwelche Experimente mit den Viechern durch. Keine Ahnung, was genau, Kemper bildet sich jedenfalls mächtig was auf seine kluge Gattin ein.«
Schmetterlinge? Wie kann sich eine Frau mit einem Gatten wie Ernie ausgerechnet solch zarten, vergänglichen Geschöpfen widmen? Reine Kompensation? … Egal. Fakt ist, dass die Dame über das Equipment verfügen könnte, mit dem Ernie mich ohne mein Wissen geimpft hat. Ob seine Gattin davon wusste oder nicht, sei dahin gestellt, und auch, ob es auf ihre technischen Talente zurückzuführen ist, einen
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