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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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super sein müssen, oder? Es dauerte allerdings nicht lang, bis sie das Murmeln bemerkte. Die Stimmen waren vertraut, sie hatten dieselbe Tonlage und Klangfarbe wie jene, die sie damals vor Monaten in dem panischen Moment hörte, als die Gouverneurswitwe Mac in ihrer Gewalt gehabt und so kurz davor gestanden hatte, sein Leben zu beenden und den Verwüstungszug des Efeus zu entfesseln. Es war das Raunen der Natur um sie herum. Die Stimmen der Bäume und Pflanzen.
    Prue hatte also damit gerechnet, dieses unfassbare neue Wissen hinter sich zu lassen, sobald sie die Grenzen des Waldes hinter sich ließe. Schon bald aber musste sie feststellen, dass sogar die trägsten und unaufdringlichsten Zimmerpflanzen ihrer Eltern, wenn man sie entsprechend anstachelte, nur zu gern mit ihr sprachen – auch wenn ihr »Sprechen« absolut unverständlich war. Es war ein halblautes, wortloses Flüstern und schien eher aus den Tiefen von Prues Gehörgang zu kommen. Und obwohl keine klaren Worte herauszuhören waren, gelang es Prue nach einer Weile, Gefühle in den Geräuschen zu erahnen. Eine schnelle Sondierung unter den blättrigen Bewohnern des Haushaltes zeigte eine schwindelerregende Vielfalt an Persönlichkeiten: die Kakteen machten ein übellauniges und hochnäsiges PFFFFT ; die Palme im Badezimmer ein überschwängliches KRRRRK! Der Schwertfarn im Wohnzimmer stieß ein einsames Pfeifen aus, während das Immergrün auf dem Bücherregal im Esszimmer auf jeglichen Annäherungsversuch schnippisch reagierte (TSSS! TSSS!) , wobei Prue das darauf schob, dass ihre Eltern es zu selten gossen. Zu ihrem großen Ärger hatte ihre Mutter zu Weihnachten einen Korb Efeu mitgebracht, und das Zeug hatte Prue regelrecht angezischt.
    Alles in allem blieben die Pflanzen aber meistens für sich, und Prue hatte sich nach ihrer anfänglichen Furcht, verrückt zu werden, rasch in ihre neue (und viel seltsamere) Realität gefügt.
    Nun drückte sie sich den Schal auf die kalten Wangen und beobachtete den Dunst auf der anderen Seite des Flusses, der durch das Astgeflecht herabsank. Das da war Wildwald, dachte sie, und fragte sich, was wohl in der Zwischenzeit dort geschehen war, welche unglaublichen Veränderungen und Wandlungen stattgefunden und das Schicksal dieses wundersamen Ortes vorangetrieben hatten. Ihr Blick wanderte den leicht verschneiten Abhang hinunter, über eine Ansammlung von Chemietanks in der Industriewüste hinweg, zurück über den Fluss zu einer gelbbraunen Wiese genau unterhalb des Kliffs, auf dem sie stand. Dort entdeckte sie etwas sehr Eigenartiges.
    Erst dachte sie, es wäre einfach nur ein merkwürdiger Schatten, den eine Rauchwolke oder ein hoch fliegender Vogel warf. Doch als der Nebel sich kräuselte und verzog, konnte sie sehen, dass der Schatten die Form eines Tieres hatte.
    Ja, je mehr sie blinzelte, desto klarer wurde die Gestalt vor ihren Augen.
    Es war ein pechschwarzer Fuchs.
    Und er starrte sie genau an.
    Plötzlich erklang ein dröhnend lautes Geräusch in Prues Kopf. Es stammte von einem Besenginsterdickicht, das aus einem Felsvorsprung unterhalb der Kliffkante wuchs. Keine artikulierten Worte, einfach nur ein Geräusch, ein ohrenbetäubendes, heiseres Schschsch , und es übertönte alles andere, wie eine krachende Welle oder ein statisches Rauschen auf höchster Lautstärke. Instinktiv hielt Prue sich die Ohren zu, aber das dämpfte den Lärm kaum. Sie taumelte rückwärts, spürte ihre Lippen einen stummen Schrei bilden, jeder einzelne Nerv in ihrem Körper wurde von dem durchdringenden, lauter und lauter werdenden Ton erschüttert. Dann blieb Prue mit der Ferse an etwas hängen und stürzte. Ein stechender Schmerz schoss ihr in die Wirbelsäule, als ihr Steißbein auf den harten Boden aufprallte.
    Das Geräusch löschte alles andere aus. Prue verlor das Bewusstsein.
    Es gab nur noch Dunkelheit.

    Es gab nur Dunkelheit.
    Das lag daran, dass Curtis die Augen so fest zusammenkniff, wie es nur ging. Sein Mund war zu einem starren Grinsen verzerrt, so groß war seine Anstrengung, jegliches sichtbare Sonnenlicht daran zu hindern, durch seine Lider zu dringen. Das war seine einzige Chance, so zu tun, als würde er nicht fliegen. Dann konnte er sich leichter einreden, dass der Wind, der an seiner unter dem Kinn zusammengebundenen Pelzmütze zerrte, der durch seine Kleidung peitschte und der eisig auf seinen Wangen brannte, nicht vom Fliegen kam. Nein, es war einfach nur ein heftiger Wind, immerhin war Februar. Und das

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