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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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pubertierende Mädchen kicherten in der hintersten Reihe, und an der Seite saß ein Mann mittleren Alters allein und aß gebrannte Erdnüsse aus einer fettfleckigen Papiertüte. Curtis setzte sich und inspizierte das Programm, das er bekommen hatte. Es war ein billiges, auf grellgelbes Papier kopiertes Heftchen, und auf dem Titelblatt war ein Bär abgebildet, dessen weit geöffnetes Maul den Blick auf ein beeindruckendes Gebiss freigab. Über dem Bild verkündete ein Spruchband: »WILDE TIERE! GEFÄHRLICHE BESTIEN!« Und darunter ein anderes: »DER GROSSE ESBEN!« Curtis schlug das Heftchen auf, woraufhin die Innenseiten zu Boden flatterten. Als er sich gerade bückte, um sie aufzuheben, blitzten die Scheinwerfer auf.
    Der Mann, der ihnen gerade die Eintrittskarten verkauft hatte, schlurfte herein und ließ den Blick über das spärliche Publikum schweifen. »Sehr verehrte Damen und Herren«, sagte er seltsam schleppend mit ausdrucksloser, gelangweilter Stimme. »Machen Sie sich auf etwas gefasst, was Sie noch nie erlebt haben. Lassen Sie sich vom Zirkus der Gebrüder Gamblin an einen Ort der Magie und der Wunder entführen.« Er hielt inne, bohrte in der Nase und betrachtete kurz seinen Finger, ehe er ihn an der Hose abwischte. »Sie haben die ganze Welt bereist, von Siam bis Sibirien, und Zaren und Sultane gleichermaßen zum Staunen gebracht. Frauen und Kinder, aufgepasst: Was Sie sogleich zu sehen bekommen, wird Sie verwundern und verblüffen. Die Darbietung, von der alle reden …« Hier machte er eine halbherzige Kunstpause und verkündete dann: »Der große Esben.«
    Die Zuschauersitze stiegen wie in einem Amphitheater von einem Kreis aus festgestampfter Erde auf, der die Manege des Zirkus darstellte. Auf der hinteren Seite stand ein kleines knallrotes Zelt, dessen Eingangsklappe nun plötzlich aufgeschlagen wurde. Heraus stolzierte ein Mann in Zylinder, bunt gestreifter Strumpfhose und schwarzem Frack. Er warf dem Ticketverkäufer einen bösen Blick zu – offenbar hatte seiner Ansicht nach der Ansage die rechte Begeisterung gefehlt – und wandte sich dann mit einem breiten Lächeln dem Publikum zu. Curtis sah sich noch einmal um. Einschließlich Septimus waren sie zu sechst.
    Prue zischte leise: »Könnte das …«
    Doch sie kamen beide gleichzeitig zur selben Schlussfolgerung: Der Mann verbeugte sich tief und breitete theatralisch seine Hände aus. Es waren ohne Zweifel sehr echte Hände, nicht die geringste Ähnlichkeit mit Haken. Als der Mann schließlich mit seiner Verneigung fertig war, wartete er noch geduldig auf eine alte Frau, die langsam zu ihrem Platz hinkte.
    »Meine Damään und Häärrän«, sagte der Mann sehr laut mit einem Akzent unbestimmbarer Herkunft. »Der tanzändää Affä.« Seine Worte verschmolzen miteinander, als wären sie aus Wachs. Prue überlegte, ob er vielleicht betrunken war.
    Auf einem Podest seitlich der Manege stand ein Junge, ungefähr in Curtis ’ Alter, der von einer Auswahl an Instrumenten umgeben war: einer verbeulten Trompete, einer kleinen Trommel und einer Blechflöte. Bei der Ankündigung nun hob er die Trompete an die Lippen und blies eine jämmerliche Fanfare.
    Erneut öffnete sich das rote Zelt, und eine dunkle Gestalt schob zwei Rhesusäffchen ins Rampenlicht. Beide Tiere trugen Feze auf dem Kopf und wirkten verwirrt. Während sie in die Mitte der Manege hüpften, holte der Zirkusdirektor zwei Hula-Hoop-Reifen hervor, die er wild durch die Luft schwang.
    »Die Affään werden springen. Durch die Reifäään!« Entschlossen marschierte der Mann zu den Tieren und wedelte die Reifen vor ihren Gesichtern herum. »Springt!«, brüllte er. »Springt!«
    Völlig verdutzt starrten sie ihn an.
    Der Mann stieß einen Schwall von Flüchen in einer sehr fremden Sprache aus, bückte sich vor und schimpfte die Tiere leise. Dann nahm er seine ursprüngliche Haltung wieder ein und hielt die Reifen hoch. »Springt, meine Äffchän, springt!«
    Einer der Affen schlenderte zu einem Hula-Hoop und kletterte träge hindurch, ein Bein nach dem anderen. Der andere beobachtete etwas auf dem Fußboden. Was auch immer es war, es überlebte die Inspektion nicht, denn das Tier griff mit seinen dünnen Fingern danach und steckte es sich ins Maul. Wieder trötete der Junge auf dem Podest leiernd in seine Trompete, und die Affen wurden aus der Manege gescheucht.
    »Das ist deprimierend«, flüsterte Septimus Curtis ins Ohr. Curtis konnte nur nicken.
    »Haben wir den falschen Esben

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