Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
gelingen wird?«
»Glauben?« Joffrey grinste. »Das weiß ich. Mit den beiden Konstrukteuren – selbst ohne, ähm, diverse Körperteile – habe ich keinerlei Zweifel, dass wir …«
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Denn in diesem Augenblick stieß jeder einzelne weiße Transponderkasten in Unthanks Büro ein schrilles, ohrenbetäubendes, abgehacktes Piepen aus. Alle roten Lämpchen blinkten, sämtliche Nadeln flatterten wild im höchsten Bereich der Kontrollfenster. Wie versteinert starrten die drei Männer das Schauspiel an.
Die Unadoptierbaren waren zurückgekehrt.
Als Prue und Curtis den Müllberg hinuntergerannt waren und die rostigen Gleise überquert hatten, waren sie völlig außer Atem. Unten waren die Fahrgeschäfte in vollem Gange – wenn auch in eher trostlosem Gange. Drei Familien spazierten über das Gelände, beäugten die laut schreienden Ticketverkäufer und zählten Kleingeld für den Zuckerwatteautomaten ab. Das blau-gelbe Zirkuszelt lag in der Mitte des weitläufigen Vergnügungsparks wie ein großes Auge, und die beiden Freunde verschnauften nur ganz kurz, ehe sie zu dem Eingang liefen, der ihrer Einschätzung nach hinter die Bühne führen musste. Ein mürrisch aussehender Mann hielt Wache.
»Wir müssen«, keuchte Prue immer noch ganz außer Puste, »wir müssen zu … Wir müssen zu Esben.«
Der Mann, der auf einem Zahnstocher kaute, sah sie schief an. »Sagt wer?«
»Sagen wir«, meinte Curtis. Er überlegte schnell. »Wir sind Verwandte.«
Prue schaltete sofort. »Genau«, sagte sie. »Er ist unser Vater. Wir müssen ihn sprechen.«
Der Mann musterte sie beide sehr sorgfältig, dann brach er in wieherndes Gelächter aus. »Ich dachte, ich kenn schon alle Sprüche.« Er stellte sich gerade hin und zog den Zahnstocher aus dem Mund. »Und außerdem fängt die Vorstellung gleich an. Die lassen jetzt niemanden hinter die Bühne.«
Prue verließ der Mut, Septimus machte: »Quiek.« Doch Curtis zögerte keine Sekunde. »Wo kriegen wir Eintrittskarten?«
Nicht weit entfernt stand ein Häuschen, über dem ein Schild verkündete: HEUTE ABEND LETZTE VORSTELLUNG! FREIER EINTRITT FÜR KINDER BIS ZEHN JAHRE! Prue tippte an die Glasscheibe und erschreckte damit den Mann in dem Häuschen. Er hatte in einem zerfledderten Taschenbuch gelesen und sah jetzt die beiden Kinder vor dem Fensterchen an, als hätte er sich gerade von der Astralebene herbeiteleportiert.
»Zwei Eintrittskarten bitte«, sagte Prue und hielt zwei Finger hoch.
Der Mann betrachtete sie durch seine dicke Brille. »Wie alt seid ihr?«
»Zehn«, sagte Curtis.
»Zwölf«, verbesserte Prue und stieß ihm den Ellbogen zwischen die Rippen.
Der Mann sah sie finster an. »Achtzehn Dollar.«
Prue riss entgeistert den Mund auf. Das schien doch ganz schön teuer für eine Vorstellung in einem fast menschenleeren Vergnügungspark neben einer Müllhalde. Hilflos sah sie Curtis an, doch der zuckte nur die Achseln. Also zog sie ihren Rucksack nach vorn und wühlte darin nach Geld. Ohne Erfolg. Plötzlich fiel ihr etwas ein, eine nagende Erinnerung wie aus einem vergangenen Jahrhundert. In ihrer Jeanstasche müssten noch die zerknüllten Dollarscheine sein, die ihre Mutter ihr gegeben hatte, um Naan-Brot zu kaufen, vor einer halben Ewigkeit. Erleichtert atmete sie auf, zog sie heraus und strich einen nach dem anderen auf der Theke glatt. Alles in allem waren es zehn. Sie lächelte den Kartenverkäufer an.
»Mehr haben wir nicht.« Gleichzeitig musste sie an ihre Eltern denken. Sie hatten sie doch nur kurz losgeschickt, um ein paar Straßen weiter etwas zu besorgen. Was dachten sie wohl jetzt? Hätten sie sich jemals vorstellen können – hätte Prue sich jemals vorstellen können –, wofür sie diese paar Dollar einmal verwenden würde?
»Wir würden echt gern die Vorstellung sehen«, sagte Curtis.
Der Mann zog eine Augenbraue hoch. »Ach ja?« Er musterte sie beide. »Tja, da seid ihr so ungefähr die Einzigen. Gott sei Dank ziehen die heute Abend weiter. Die Vorstellung ist unterirdisch. Also, abgesehen von Esben.« Grummelnd zupfte er an der blauen Ticketrolle neben sich, schob zwei Kärtchen durch das Loch in der Scheibe und fing lustlos an, den Haufen zerknüllter Dollarscheine zu zählen, die Prue ihm gegeben hatte.
»Viel Spaß«, sagte er noch, ehe er sich wieder seinem Buch zuwandte.
Sie fanden ihre Plätze im Zuschauerraum, und eine grauhaarige Frau reichte ihnen ein Programm. Das Zelt war fast leer. Zwei
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