Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
Vom Netzwerk:
sonst noch jemand gehört hatte. Doch ihre Eltern waren in ein Gespräch mit Miss Mudrak vertieft, um die letzten Einzelheiten bezüglich des zu zahlenden Betrags zu klären, und Rachel starrte ihre Turnschuhe an. Elsie drehte sich wieder zurück. »Ich?«
    Der Junge nickte.
    Seltsam, sie konnte sich gar nicht erinnern, einen Zettel dabeigehabt zu haben. Dennoch streckte sie schüchtern die Hand aus und nahm dem Jungen das Papier aus der Hand, genau in dem Moment, als ihre Mutter rief: »Elsie! Wo bleibst du denn?«
    Elsie lächelte zum Dank etwas verwirrt und steckte sich den Zettel in die Rocktasche. Dann hüpfte sie weiter, stellte sich neben den gerüschten Saum des Kleides ihrer Mutter und hörte Miss Mudrak sagen: »Und ich lasse Sie allein, um sich zu verabschieden.«
    David kniete sich hin, nahm seine beiden Töchter in die Arme und drückte sie fest an seine Schultern. »Meine Mädchen.« Seine Stimme klang erstickt. »Meine Mädchen. Wir werden euren Bruder finden. Wir finden ihn, so wahr mir Gott helfe. Und wir holen ihn nach Hause, damit wir wieder eine Familie sein können. Eine komplette Familie.«
    Rachel fing an zu weinen. Elsie quetschte ihr Gesicht in das Cordjackett ihres Vaters, roch sein Rasierwasser und fragte sich, warum sie nicht ebenfalls weinte. Lydia Mehlberg sagte nichts, aber Elsie spürte, wie sie schluchzte, ein leises Zucken übertrug sich über ihre Hand auf Elsies Schulter.
    »Seid brav, Mädchen.« Mehr brachte Lydia nicht heraus.
    Schließlich entwanden die Eltern Mehlberg sich den Armen ihrer Töchter und gingen zurück zum Auto. Rachel machte es ihnen am schwersten. Verzweifelt zerrte sie an den Kleidern ihres Vaters und versuchte, ihn festzuhalten.
    Dann waren sie fort, und das schwarze Auto knirschte über den Kiesweg zurück in die dunklen, verschneiten Straßen der Industriewüste. Elsie und Rachel standen oben auf der Treppe vor dem Gebäude und blickten ihnen nach. Ihr Atem bildete kleine Dunstwölkchen über ihren Köpfen. Da fiel Elsie der Zettel des Jungen wieder ein und sie holte ihn aus der Tasche. Langsam faltete sie ihn auf und las die Worte, die auf das vergilbte Papier gekritzelt waren:

VIER
    Die Geschichte des Korporals
    P rue!«
    …
    »PRUE!«
    Wind. Blätterrauschen.
    »Prue McKeel! Kannst du mich hören?«
    Es war eine Frauenstimme, eine, die Prue erkannte, aber nur dunkel. Es war, als hörte man ein vertrautes Lied durch das laute Stimmengewirr eines Lokals. Die Stimme erinnerte sie an Sicherheit. Und Zellkernteilung. Und Patschuli.
    Es war die Stimme von Darla Thennis, ihrer Biologielehrerin.
    »Alles okay bei dir?«, fragte Darla nun, und ihr Gesicht schob sich vor den dunklen Himmel.
    Prue stöhnte. »I-ich glaube schon«, stieß sie mühsam hervor.
    Die Lehrerin half Prue, sich auf dem schneebedeckten Boden aufzusetzen. Prues Beine fühlten sich taub an, ihre Hose war eiskalt und nass und klebte unangenehm an den Beinen. Wahrscheinlich hatte sie nicht lange hier gelegen; der Tag schien nicht besonders weit fortgeschritten. Nach und nach rekonstruierte sie die einzelnen Ereignisse vor ihrer Ohnmacht: der Spaziergang zum Kliff und dann das Geräusch. Aber sie hatte etwas gesehen, oder nicht? Irgendetwas Erschreckendes. Unvermittelt stand ihr das Bild wieder scharf vor Augen: der schwarze Fuchs. Und dann das kreischende, ohrenbetäubende Zischen. Prue reckte den Hals, um über den steilen Abhang zu spähen. Der Fuchs war weg. Sie drehte sich zu Darla um.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte Prue.
    »Das könnte ich dich auch fragen«, erwiderte die Lehrerin und rieb ihre Hände aneinander. Sie hatte Erde unter den Fingernägeln. »Interessanter Ort für einen Spaziergang.« Sie suchte den Horizont ab. »Wolltest du nur mal gemütlich einen Blick auf die Undurchdringliche Wildnis werfen?«
    »Ich bin nur so durch die Gegend gelaufen«, sagte Prue. »Und dann habe ich …« Sie stockte, unsicher, wie viel sie ihrer Lehrerin verraten sollte. Von den Pflanzenstimmen hatte sie noch nie jemandem erzählt – bestimmt würde man sie für verrückt halten. »Und dann wurde mir einfach total schwindlig.«
    »Es war ein harter Tag«, sagte Miss Thennis und erhob sich aus der Hocke. An ihrem Kaftan hingen Grashalme, und sie wischte sie ab, ehe sie Prue ihre Hand entgegenstreckte. »Komm, ich spendiere dir eine heiße Milch. Du musst dich aufwärmen.«
    Sie gingen zum Café auf der Lombard Street und setzten sich einander gegenüber an einen Tisch am Fenster. Die

Weitere Kostenlose Bücher