Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Kellnerin brachte einen Cappuccino für Darla, und der Dampf eines Bechers heißer Milch mit Honig wärmte die Luft vor Prue auf. Sie unterhielten sich eine Weile über den Schnee, die trüben Portlander Winter. Darla erzählte Prue von ihrer Kindheit, ihrer Liebe zu Büchern und Musik, ihrem Soldatenvater, wegen dem die Familie ständig umziehen musste. Sie sprach davon, in der Schule ein »echter Hippie« gewesen und später mit einem Haufen anderer Fans einer Band durchs ganze Land nachgereist zu sein und während der Konzerte auf dem Parkplatz Hanfschmuck verkauft zu haben.
»Magst du Musik?«, fragte Darla.
»Ja, mir gefallen ein paar Bands. Ich weiß auch nicht. Was Musik betrifft, bin ich ein bisschen komisch. Zum Beispiel hab ich in letzter Zeit viel Cajun gehört. Kennen Sie das?«
»So was wie Akkordeonmusik?«
»Ja.« Prue merkte, dass sie errötete.
»Wow, Mädel.« Darla trank einen Schluck Kaffee. »Du bist wirklich komisch.«
Sie brachen in lautes Gelächter aus, das allmählich zu einer Stille verebbte. Beide sahen sie aus dem Fenster und beobachteten die vorbeizischenden Autos. Ein Mann mühte sich damit ab, einen Zeitungskasten zu öffnen. Prue musterte ihre Lehrerein schweigend. Gerade hob sie mit beinahe übermenschlicher Anmut den Kaffeebecher an ihre Lippen.
Tatsache war, dass Prue ihre Abenteuer in der Undurchdringlichen Wildnis bisher vor gleichaltrigen Außenweltlern geheim gehalten hatte. Nur mit ihrer Mutter und ihrem Vater sprach sie manchmal über die schlimmen Dinge, die dort passiert waren, und die beiden neigten dazu, die Erwähnung dieses Ortes mit einem betrübten Stirnrunzeln aufzunehmen. Das Ganze weckte bei ihnen nur Erinnerungen an verschwundene Kinder und schlaflose Nächte. Letzten Endes war Mac der Einzige, dem sie sich wirklich anvertrauen konnte, jemand, der den Eindruck vermittelte, ohne Wertung zuzuhören, wenn sie laut nachdachte, was wohl seither jenseits der Waldmauer passiert war – und er war kaum aufnahmefähig, sondern brabbelte nur jedes Mal »Puuh!«, wenn sie eine Pause machte. Oft hatte Prue das Gefühl, sie trüge eine gewaltige Last mit sich herum. Sie sehnte sich danach, der Welt ihr Geheimnis mitzuteilen.
Als könnte sie Prues Gedanken lesen, stellte Darla ihren Becher ab und sah sie mit großen Augen vertrauensvoll an. »Fragst du dich das auch manchmal?«, sagte sie.
Prue wusste, dass sie die Undurchdringliche Wildnis meinte, obwohl sie fand, dass es doch zu seltsam war, wie ähnlich ihre Gedankengänge waren. »Was denn?«
»Die Undurchdringliche Wildnis. Wie es da wohl ist?«
»Ja, schon.« Prue spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.
»Früher hatte ich so ein paar Freunde, kurz nach der Schule. Meine Eltern haben in Hillsboro gewohnt, und wir haben manchmal am Rand der U . W. gestanden und sie einfach … angestarrt. Und darüber nachgedacht. Genau wie du wahrscheinlich da auf dem Kliff. Mein damaliger Freund – er war ein bisschen irre – hat Stein und Bein geschworen, dass er was zwischen den Bäumen gesehen hat. Also, Tiere, aber welche, die aufrecht gegangen sind. Er hat sogar behauptet, dass eines mal versucht hat, mit ihm zu sprechen.« Sie ließ den Zeigefinger neben der Schläfe kreisen, um den Geisteszustand dieses Freundes zu verdeutlichen.
Prue hielt es nicht mehr aus.
»Darf ich Ihnen was erzählen?«, fragte sie schließlich.
Darla sah Prue fragend an. »Aber klar.«
»Ich muss Sie warnen, das klingt jetzt total verrückt.«
»Das macht nichts.«
»Und Sie sind die Erste, die das hört, außer meinen Eltern.«
»Dafür sind Lehrer doch da, Prue.«
Tief eingeatmet. »Ich war schon mal da.«
Darlas Augen weiteten sich.
»In der Undurchdringlichen Wildnis.«
»Ehrlich?«
»Ja«, sagte Prue. »Und Sie würden nicht glauben, was passiert ist.«
In diesem Moment spürte Prue eine schwere Last von sich abfallen.
Ein heißer Luftschwall empfing Curtis, als er in die riesige Halle kam, und seine Brille beschlug sofort. Er taumelte ein paar Schritte vorwärts und fühlte den kalten, harten Steinfußboden unter den Füßen, bis er auf etwas Weiches trat.
»AUA!«, ertönte eine Stimme unter ihm. Es war Septimus. »Pass doch auf, wo du hintrittst.«
»’tschuldige!«, sagte Curtis und riss sich die Brille von der Nase. Er machte seine Jacke auf und wischte die Gläser mit dem Saum seines T-Shirts ab. Ohne seine Brille konnte er zwar nur sehr verschwommen sehen, erkannte aber trotzdem, dass die Flammen einer
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