Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
einen Moment, bevor er weitersprach. »Sie wird noch vor dem Abend tot sein. Daran habe ich keinen Zweifel.« Er blickte sich in der Runde um. »Die haben einen Attentäter geschickt.«
Sämtliche Muskeln in Curtis ’ Körper verkrampften sich mit einem Ruck. Sein Mund trocknete vollkommen aus. Brendan zu seiner Linken knurrte wütend.
»Wer sollte denn so was tun?«, fragte er. »Und ich dachte, ihr Südwalder haltet sie für eine Art Heldin – die Fahrradmaid oder irgend so einen Quatsch nennt ihr sie doch. Hat sie nicht mit dem Jungen hier eure große Revolution angestoßen?« Der Zorn in seiner Stimme stieg. »Und haben nicht wir, die Freischärler, unser Blut für eure kostbare Sicherheit vergossen, während ihr vollauf damit beschäftigt wart, die Vögel wegen nix und wieder nix ins Gefängnis zu stecken? Und so macht ihr jetzt weiter?« In seiner Wut kippte er beinahe von der Bank und musste sich an den Steinen der Feuerstelle abstützen.
»Ganz ruhig, Räuberkönig«, beschwichtigte Uhu Rex. »Eure Opfer sind nicht vergessen.« Er winkte dem Korporal mit dem Flügel zu, der gelangweilt Brendans Gepolter zuhörte. »Er ist ein Freund. Der brave Korporal ist ein Verbündeter.« Als es wieder still im Raum geworden war, fuhr der Uhu fort: »Bitte, Korporal Donalbain, erzählen Sie unseren Räuberfreunden, wer › die‹ sind.«
»Tja, das ja das Knifflige daran«, sagte der Wolf. »Schwer zu sagen, wer eigentlich die Verantwortlichen dafür sind. Ich meine, ich habe eine ziemlich klare Vorstellung davon, aber ich kann es unmöglich beweisen. Die sind inzwischen ganz schön geschickt darin, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, das muss man schon sagen. Seit dem Notstand.«
Curtis befeuchtete sich die Lippen. »Notstand? Was ist das denn?«
»Ich sprach vorhin von Gift«, warf Iphigenia ein. »Das ist das Gift.«
»Das ist alles, was von der Regierung von Südwald noch übrig ist, seit ihr alle uns damals uns selbst überlassen habt«, sprach der Wolf weiter. »Obwohl die meisten Leute es nicht so nennen. Es wäre aufrührerisch, sagen sie. Aber ich, ich nenne das Kind beim Namen. Und es beschreibt den derzeitigen Schlamassel in diesem früher so großartigen Land sehr treffend.«
»Was ist passiert?«, fragte Brendan.
»Nichts. Das ist passiert«, antwortete Jack. »Zu viel nichts. Lauter Leute kommen daher und verlangen Entschädigung, aber keiner will den Kopf hinhalten. Sobald der Zauber dieses Fahrradputschs verflogen war, hat die werktätige Bevölkerung festgestellt, dass es keine Regierung mehr gab, die sich um sie kümmert.«
»Aber was ist mit der Übergangsregierung?«, fragte Curtis. Er erinnerte sich an einen Vertrag, den er neben dem Großteil derer, die auch jetzt in dieser Halle saßen, selbst unterschrieben hatte und der den vorübergehenden Aufbau der Regierung festgelegt hatte.
»Die gibt’s schon noch«, sagte der Wolf. »Sie entwickelt sich nur von Tag zu Tag mehr zu einer Schlangengrube. Beinahe sofort, nachdem der Uhu-Prinz und der Räuberkönig und die Älteste Mystikerin abgereist waren« – an dieser Stelle sah er jedem von ihnen nacheinander in die Augen und sprach ihre Namen aus, als wären es nur Worte aus einem Märchenbuch –, »haben sich die Regierungsmitglieder wieder auf das konzentriert, was sie am besten können: Verrat und Bestechung. Plötzlich ist der Soundso angeblich doch nicht mehr so patriotisch wie vorher, heißt es in der Villa Pittock. Dann hält genau dieser Soundso dagegen und sagt, wenigstens war er nicht derjenige, der sich in Sachen Klatschmohnbierlieferungen oder was nicht noch hat bestechen lassen. Woraufhin wieder der nächste Soundso über den gesamten Haufen herzieht und sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Und mit einem Mal hat man eine › Übergangsregierung‹, die sich weniger darum kümmert, den Laden am Laufen zu halten, als sich selbst abzusichern. Die Gemüter erhitzen sich. Soundso ist laut seinen Feinden urplötzlich nicht mehr nur unpatriotisch, sondern ein Kollaborateur des alten Regimes, und vielleicht hat er nicht genügend wichtige Leute geschmiert und – peng – sitzt er hinter Gittern. Das Gefängnis füllt sich also ziemlich, wie man sich denken kann. Und schlagartig gibt es eine neue › patriotische Stimmung‹ im Land, und jeder versucht, noch patriotischer als der andere zu sein, und alle kriegen einen ganz verklärten Blick und faseln was vom › Vermächtnis des Putschs‹ oder solchen Mist. Und jetzt
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