Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
Vom Netzwerk:
Zahnrädchen sortierten, die über das lange Fließband liefen.
    »Musik in meinen Ohren, Kinder«, rief Mr. Unthank. »Musik in meinen Ohren. Und immer daran denken: Maschinenteile bauen … was?«
    »MASCHINEN«, antworteten die Kinder im Chor.
    »Und Maschinen bedeuten?«
    »KOMFORT.«
    »Und was ist Komfort?«
    »FREIHEIT.«
    »Und Freiheit ist … sagt es mir, Kinder. Auf drei. Eins, zwei, drei …«
    »FAMILIE«, schlossen alle gemeinsam.
    »Genau so ist es: Familie«, sagte Joffrey. »Also, wenn einer von euch etwas brauchen sollte, ich bin gleich da oben« – er zeigte auf ein breites Fenster mit Blick auf die Fabrikhalle – »und habe ein Auge auf euch fleißige kleine Ameisen. Ta-ta!« Damit verließ er den Raum und nahm im Vorbeigehen schwungvoll seinen Kaffeebecher mit.
    Elsie drehte sich zum RSO 2.0 um. Die beiden Messgeräte ACK und UZ sahen aus wie zwei Augen, die sie anstarrten. Im Geiste den Reim aufsagend, den Unthank ihr beigebracht hatte, ging sie zaghaft zu Werke. Zwei Handgriffe, und ein leises Klirren war aus der Maschine zu hören, als eine blitzblanke Mutter herunterfiel. Elsies Herz machte einen Satz, blitzschnell steckte sie die Hand in die Öffnung und entnahm die Mutter, kurz bevor die eisernen Zähne des Apparats auf die Stelle herabsausten, an der gerade noch ihre Finger gewesen waren. Dankbar flüsterte sie ein Stoßgebet und legte die Mutter auf das Fließband, das vom RSO wegführte. An der Maschine neben ihr stand Martha, die Schutzbrille auf den Augen, und zog eine Leuchtstofflampe an einem Gelenkarm über eine frisch hergestellte Mutter. Sie merkte, dass Elsie sie ansah und winkte. »Immer weitermachen«, rief sie über den Fabriklärm. Sie hielt beide Daumen hoch und machte sich wieder an ihre Arbeit. Elsie tat es ihr gleich, drückte den roten Knopf, und schon ertönte das nächste Klirr aus dem Bauch des Apparats.

ACHT
    Erinnerung an einen Traum ·
    Das große Rennen
    I phigenia saß auf ihrer Bettkante und rieb sich die Knöchel. Sie schmerzten stark. Es kam ihr vor, als würden sie von Tag zu Tag mehr schmerzen. Das Alter lastete schwer auf den Schultern der Mystikerin, und das gefiel ihr gar nicht. Der brennende Docht einer Petroleumlampe warf zuckende Schatten in ihrer einfachen Schlafkammer, und die Dunkelheit des frühen Morgens schwärzte die Fenster. Die alte Frau atmete tief durch und zog ein Paar lange Wollstrümpfe unter ihrem Gewand hoch. Die Kälte plagte ihre gebrechlichen Knochen. Da hörte sie ein Geräusch von unten: Die Tür wurde aufgestoßen, Füßen trampelten durch den Flur.
    »Hallo?«, rief sie. Keine Antwort. Ächzend erhob sie sich und humpelte zum Treppenabsatz. »Wer ist da?«
    Ein Grunzen ertönte. »Entschuldigung, Älteste Mystikerin«, rief eine Stimme. »Ich mache nur Feuer.«
    Iphigenia seufzte. »Guten Morgen, Balthasar«, sagte sie, da sie die Stimme des Schülers erkannte. Sie beobachtete von oben, wie er einen Stapel Holzscheite zum Kamin trug und mit einem erleichterten Stöhnen in einen Metallkorb fallen ließ. Dann blickte er zu Iphigenia hinauf.
    »Soll ich Wasser für dich aufsetzen, Iphigenia?«
    »Ja bitte, Balthasar.« Iphigenia ging zu ihrem Bett zurück, schlüpfte in ein Paar ausgetretene Schlappen und reckte sich. Ihr Rücken gab ein ausgedehntes, klagendes Knacken von sich. Sie lächelte und schüttelte den Kopf. Alles nicht mehr so einfach wie früher mal , dachte sie, besonders das Aufstehen morgens . Sie schlurfte zur Treppe.
    »Hast du gut geschlafen?«, fragte Balthasar, als Iphigenia langsam die Treppe hinunterstieg. Er hielt ein langes Streichholz an ein paar Holzspäne im Kamin, und kurz darauf verbreitete die Feuerstelle einen warmen Schein.
    »Nein«, erwiderte Iphigenia. »Gar nicht gut. Aber das ist nicht anders zu erwarten. Ich schlafe einfach nicht mehr so fest. Ist wohl nicht meine Stärke.«
    »Das tut mir leid, Älteste Mystikerin.« Balthasar beobachtete die wachsenden Flammen. Ein schwarzer Eisenkessel hing am Haken, den er nun über das Feuer schob. Iphigenia ließ sich auf dem Stuhl vor dem Kamin nieder. Während das Wasser heiß wurde und der Schüler noch mehr Holz holen ging, hatte sie Muße, über den Traum nachzudenken, der sie geweckt hatte.
    Die verschlungenen und unerreichbaren Bilder ihres Tiefschlafs hatten sie – leicht desorientiert – mitten auf eine Waldlichtung geführt. Sie hielt etwas in der Hand, was sie aber nicht ansehen wollte, aus irgendeinem dringenden, aber nicht fassbaren

Weitere Kostenlose Bücher