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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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versperrte den Ausgang. Unthank öffnete ein Vorhängeschloss und stieß das Tor auf, ließ die kleine Prozession hindurchmarschieren und schloss dann wieder ab. Hier am Zaun endete abrupt die von Menschenhand geschaffene Landschaft der Industriewüste, und jenseits davon befand sich eine Mauer aus reinem Grün. Sie standen an der Grenze zur Undurchdringlichen Wildnis.
    Die Bäume verdeckten beinahe den Himmel. Noch nie hatte Elsie etwas Lebendiges gesehen, das so groß war. Dazwischen wuchsen Pflanzen in jeder Schattierung von Grün, alle mit hellweißem Schnee bestäubt und mit allen anderen verwachsen, als befände sich der gesamte Wald in einer Art wilder, verwandtschaftlicher Umarmung.
    Unthank stellte sich neben ein Abflussrohr unmittelbar vor der ersten Baumreihe. Er spähte in den Wald, die Hände in den Hüften. Elsie dachte, er suchte vielleicht nach den anderen Versuchskaninchen, den Kindern, die er der Wildnis und ihrer sogenannten unüberwindbaren Grenze geopfert hatte. Doch dann legte er im Farn zu seinen Füßen einen in den Boden gehämmerten Pfosten frei. Aus der Tasche zog er ein Knäuel Bindfaden und wickelte nacheinander drei Stücke ab, die er an seinem Unterarm abmaß. Jeden dieser Fäden knotete er um den Pfosten. Dann ging er zurück zu Desdemona, nahm eines der drei Kästchen und stellte die Skalen ein. »R . M. – Rachel Mehlberg«, sagte er. »Bitte vortreten.«
    Sie gehorchte, ihre Arme zitterten in dem Armeeregenmantel, den jedes der Mädchen eigens bekommen hatte.
    »Eure Aufgabe in diesem Experiment ist lediglich, fünfzig Meter in den Wald zu gehen und dann zu versuchen, zu genau der Stelle zurückzukehren, an der ihr hineingegangen seid. Der Bindfaden ist dazu da, die Entfernung zu bemessen und euch wieder zurückzuführen. Ich werde euren Weg mit den Transpondern überwachen. Solltet ihr einen Fluchtversuch unternehmen, was nicht ratsam ist, werde ich euch mit diesem Gerät aufspüren, und ihr werdet euer Vergehen bitter bereuen. Für die Außenwelt existiert ihr nicht mehr, ihr seid verlorene Kinder. Eure Aufnahmedaten wurden gelöscht und eure Akten vernichtet. Eine Flucht wäre also äußerst unklug. Allerdings: Solltet ihr nach den erforderlichen fünfzig Metern mithilfe des Bindfadens zu mir zurückkommen, gewähre ich euch mit Vergnügen eure Freiheit.«
    Rachel und Elsie wechselten einen Blick. Martha atmete tief durch.
    »Ja, ihr könntet die Fesseln des Waisenhauses abschütteln und wäret nicht mehr länger gezwungen, winzige, aber ungeheuer kostspielige Maschinenteile herzustellen, zu sortieren oder zu reinigen. Geht in ein anderes Heim! Sucht eure verschollene Tante Myra! Tut, was euch gefällt. Darüber hinaus würde ich euch mit fünfzehn Prozent an dem Gewinn beteiligen, den ich durch die Nutzung dieses riesigen Gebietes voller natürlicher Ressourcen erwirtschaften kann. Das Geld käme auf euren Namen in einen Treuhandfonds, auf den nur ihr selbst Zugriff habt. Eure Belohnung dafür, bei einem solch gewaltigen wissenschaftlichen und kulturellen Durchbruch behilflich gewesen zu sein. Wie klingt das, hm?«
    Die Mädchen gaben keine Antwort. Sie alle starrten geradeaus in die Wildnis des Walds.
    »Ich nehme euer Schweigen als Zustimmung.« Unthank hielt eines der weißen Kästchen in die Luft. »Also, Rachel Mehlberg, bitte nimm einen der Bindfäden in die Hand und lauf los. Viel Glück und alles Gute.«
    Rachel warf ihrer Schwester einen letzten Blick zu, dann machte sie den ersten Schritt. Elsie sah ihre Augen durch die schwarzen Haarsträhnen. Sie waren groß und ängstlich. »Rachel«, sagte Elsie. »Ich finde dich.« Rachel erschauerte und drehte sich um. Dann hob sie das ausgefranste Ende des Bindfadens auf und lief in den Wald.

ZWÖLF
    Der ungeladene Gast
    I n der Großen Halle drängten sich die Feiernden, als Prue eintraf. Eine einfache Kapelle hatte sich in einer Ecke aufgestellt und stimmte gerade ein wildes Lied an. Ein Grizzly mit einem Waschwannenbass zupfte den schnellen Takt, und ein Mädchen mit Banjo sang etwas über den langen und trägen Balch-Bach. Prue stand kurz im Türrahmen, bis jemand sie hereinwinkte und ihr einen dampfenden Krug gewürzten Apfelwein anbot. Sie war immer noch ganz durcheinander wegen der Begegnung mit dem Baum und dem seltsamen Jährling. Erst als Curtis kam und ihr einen freundschaftlichen Schlag auf die Schultern gab, konnte sie die Empfindung abschütteln.
    »Hey«, sagte er. »Willkommen zur Party! So feiert man ein

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