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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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Kiesel bei jedem Schritt etwas mehr.
    »Beeil dich, Curtis!«, zischte ein Mann vor ihm, der bemerkte, dass er zurückfiel. Es war Cormac. Curtis hob rasch ein weiteres Geschoss auf, stopfte es in seine Hose und trabte schneller. Sie entfernten sich immer weiter vom Lager; der Rauch der Feuerstellen hing schon nicht mehr in der Luft. Septimus hatte seinen Stammplatz auf Curtis’ rechter Schulter verlassen und war nur ab und an zu sehen, wenn er über ihren Köpfen von Ast zu Ast hüpfte. Nach einer Weile erreichten sie die Lange Straße, und Brendan, der sich seine geflochtene Krone aufgesetzt hatte, stellte sich an die Spitze seiner Truppe und winkte sie heran.
    »Wir folgen der Straße«, erklärte er, sobald alle sich um ihn herum versammelt hatten. Mit einem langen, knotigen Stock zeichnete er eine grobe Karte in die feuchte Erde. »Bis zum Hardesty-Wildwechsel – von dort aus schlagen wir uns durch den Wald. Zahlenmäßig sind uns die anderen weit überlegen, aber wir können versuchen, das durch List wettzumachen. Eine Armee von dieser
Größe wird vermutlich so lange wie möglich auf der Langen Straße bleiben; wahrscheinlich werden sie zwischen der nördlichen und der mittleren Gabelung des Schaukelstuhlbachs in westlicher Richtung abbiegen.« Er malte mit dem Stock eine geschlängelte Linie und setzte ein X ans Ende. »Wir kommen von Nordwesten her, unmittelbar oberhalb des Sockels der Ahnen. So haben wir die größte Aussicht auf Erfolg.« Er sah seine Mitstreiter an. »Alles klar?«
    »Ja, alles klar«, erschallte es im Chor.
    Brendans Miene war entschlossen. »Dann los«, sagte er.
    Die Räuber setzten sich in Bewegung. Curtis bildete schon bald wieder das Schlusslicht, da er sich immer noch nach geeigneten Steinen umsah. Plötzlich fiel ihm etwas ins Auge: etwas Glänzendes, das im Gestrüpp neben der Straße lag. Er kniete sich hin, schob ein Büschel Disteln beiseite und fand zu seiner Verblüffung seinen Hausschlüssel. »Na so was!«, sagte er laut. Er zog den Bund aus dem Unterholz, schüttelte ihn kurz in der Hand und genoss das vertraute Klimpern. Septimus huschte an seine Seite.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Mein Hausschlüssel«, erklärte Curtis. »Er muss mir aus der Tasche gefallen sein, als ich von den Kojoten weggetragen wurde.«
    »Faszinierend«, kommentierte Septimus trocken. »Aber wir sollten nicht so weit zurückfallen. Wir dürfen doch unseren eigenen Selbstmord nicht verpassen.«
    Curtis grinste. »Stimmt.« Er steckte die Schlüssel ein. »Es ist
irgendwie total verrückt, sich vorzustellen, dass in der Richtung dort, immer geradeaus durch den Wald die Eisenbahnbrücke liegt. Und dahinter mein Zuhause. Auf diesem Weg bin ich hergekommen.« Er schüttelte den Kopf, als wollte er einen Zauberbann abschütteln. »Echt verrückt.«
    Inzwischen war die Räubertruppe so weit voraus, dass der mittlere Teil gerade um eine Kurve verschwand. Septimus hüpfte über den Kies und sah sich zu Curtis um. »Komm jetzt«, drängte er.
    »Ja«, sagte Curtis. »Bin schon unterwegs.« Er warf einen letzten Blick auf das dichte Gebüsch und die Disteln, unter denen sein Schlüsselbund gelegen hatte. Dann rannte er los, um die anderen einzuholen.

    Noch nie war Prue so auf das Radfahren konzentriert gewesen, so versunken in jede Umdrehung der Pedale und jede federnde Anspannung ihrer Oberschenkelmuskeln, die die schnellen, rhythmischen Bewegungen ihrer Waden und Knöchel antrieben. Sie saß locker auf dem Sattel, das Gewicht auf den hinteren Teil der Sitzfläche verlagert, um die ständigen Stöße auf der holprigen Straße besser abfangen zu können. Dem roten Anhänger allerdings setzten diese Stöße noch heftiger zu; der kleine Wagen hopste und ratterte wie wahnsinnig hinter ihr her und machte einen schauderhaften Lärm. Prue scherte sich nicht darum; es fühlte sich geradezu rebellisch an. Außerdem, wenn irgendetwas die Räuber auf sie aufmerksam
machen würde, dann garantiert das Klappern eines Metallanhängers.
    Die Bäume ragten über die Straße und warfen kühle Schatten auf die glatte Oberfläche. Die idyllischen Felder und Haine von Nordwald hatte Prue längst hinter sich gelassen; ein hölzernes Gatter war die Grenze zwischen dem geruhsamen Bauernland und dem ungezähmten Dickicht von Wildwald gewesen. Zwei Wachtmeister, ein Mensch und ein Dachs, hatten das Tor für sie geöffnet – Prue hatte nicht einmal abgebremst, um sich zu bedanken. Und jetzt befand sie sich in den Tiefen von

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