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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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Wildwald, und das Gestrüpp und Gesträuch schien nach ihr zu greifen wie eine Million dorniger Arme. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht und flüsterte durch die schwere Baumwolle ihres Kapuzenpullis und jagte ihr mit jedem Luftzug einen Schauer durch den Leib.
    »Schneller!«, befahl sie ihren Beinen. »Schneller!«, beschwor sie das Fahrrad, die Reifen, die Kette.
    Unablässig hielt sie die Augen auf den hintersten Punkt der Langen Straße gerichtet, während sie das Rad geschickt um die vielen Kurven und Biegungen lenkte. Sie wusste, dass ihr die Zeit davonlief.
    Plötzlich flitzte ein Eichhörnchen vor ihr auf die Straße, und Prue schrie auf und riss an den Bremsen. Das Tier war genau vor ihr stehen geblieben und beäugte das seltsame Vehikel, das da auf es zuraste. Die Bremsen quietschten und der Hinterreifen geriet
ins Rutschen, sodass der rote Anhänger wild von rechts nach links schlingerte. Endlich begriff das Eichhörnchen, dass es gleich überfahren werden würde, und sprang quiekend aus dem Weg – gerade als Prues Fahrrad zur Seite schlitterte und sie vom Sattel geschleudert wurde. Mit einem Schmerzensschrei schlug sie auf dem Boden auf, wobei ihre Hände das meiste abbekamen. Das Eichhörnchen schoss unterdessen ohne einen Blick zurück in den Wald davon.
    »Pass bloß auf!«, rief Prue ihm nach. Dann stand sie auf, wischte sich den Kies von den Handflächen und rannte zu ihrem Fahrrad. Zu ihrer Erleichterung war abgesehen von ein paar Kratzern am Rahmen nicht viel passiert. Sie hob es am Lenker hoch, stieg auf und trat heftig in die Pedale, um möglichst schnell wieder auf ihre vorherige Geschwindigkeit zu kommen.
    Noch so einen Unfall kann ich mir nicht leisten , dachte sie. Wenn das Fahrrad den Geist aufgibt, bin ich geliefert .
    Das Herz hämmerte ihr im Brustkorb. Sie fühlte ihre Lunge wie einen Blasebalg arbeiten, um mit ihrem schweren Atem mitzuhalten. Endlich entdeckte sie am Horizont – dort wo die Straße gerade wurde und die Landschaft einzuknicken und in eine gewaltige Schlucht abzustürzen schien – zwei hohe Silhouetten: die verzierten Säulen der Hohen Brücke.

    »Komm schon, Curtis!«, rief Septimus. »Sie biegen gleich in den Wald ab!«

    »Bin ja schon da!«, gab Curtis zurück, obwohl ihm seine Schritte immer langsamer vorkamen – als würde ihn etwas zum Trödeln zwingen. Der Schlüsselbund in seiner Tasche – was für ein Wunder das doch gewesen war! – rasselte leise bei jedem Schritt, und jedes einzelne Klirr erinnerte ihn an sein Zuhause, an sein Bett. Im Geiste hörte er das wiehernde Lachen seines Vaters, der sich über irgendeinen müden Witz in einer Fernseh-Sitcom amüsierte. Er roch das Essen seiner Mutter – etwas, das er bisher nie als etwas Außergewöhnliches empfunden hatte, das aber jetzt in dieser Umgebung die Aura einer göttlichen Delikatesse annahm. Selbst die Nudeln mit Soße aus der Packung, die sie manchmal an Sommertagen als schnelles Mittagessen servierte, kamen ihm vor wie eine Gourmetmahlzeit. Er konnte seine ältere Schwester hören, ihre donnernden Tanzschritte im Zimmer über ihm, wenn sie die Anlage aufdrehte und in die Rolle irgendeines Popstars schlüpfte, den sie gerade anhimmelte. All das wartete auf ihn. Ich könnte einfach gehen , dachte er. Jetzt sofort. Ich könnte einfach gehen .
    Erneut drehte er sich um. Hinter der Kurve verschwand allmählich die Stelle, an der er zum ersten Mal die Lange Straße gesehen hatte, während er auf den Rücken des Kojoten geschnallt war und der Wald an ihm vorbeiraste. War das wirklich erst ein paar Tage her? Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Und jetzt beteiligte er sich an dem tollkühnen Plan, einen kleinen Jungen aus den Händen einer Wahnsinnigen zu befreien – und würde diese Unternehmung
wahrscheinlich nicht überleben. War das denn wirklich so wichtig? Wann genau hatte er eigentlich diese Entscheidung getroffen? Seit wann war die Rettung dieses Kindes – mit dem er nicht einmal verwandt war – es wert, sein Leben dafür zu riskieren? Nicht mal Prue war in Wildwald geblieben; sie war in ihr geborgenes und glückliches Zuhause zurückgekehrt. Bestimmt aß sie gerade etwas leckeres Selbstgekochtes, holte ihre Hausaufgaben nach, besuchte Freunde, schaute fern. Ihr Leben war vermutlich wieder ziemlich normal. Und vielleicht würde die ganze Familie McKeel irgendwann vergessen können, und der Kummer über den Verlust eines Kindes würde versiegen. Warum sollte er sich auch noch

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