Wildwood
gegenüberliegenden Abhang.
»Aha«, sagte Curtis immer noch ratlos. »Verstanden. Danke.
Rühren.« Murmelnd entschuldigte er sich und schob sich hinter die Formation zurück, wo die Gouverneurin mit einer kleinen Gruppe Offiziere sprach. Als sie Curtis bemerkte, drehte sie sich lächelnd um.
»Curtis, gerade rechtzeitig. Gleich beginnt unser Vorstoß. Ich habe mir überlegt, dass wir dich auf einen dieser Äste dort oben setzen, damit du einen besseren Blick auf die Schlacht hast. Möchtest du das?«
Curtis betrachtete die hoch aufragenden Wipfel über sich und nickte. »Ja«, sagte er. »Vielleicht wäre das das Beste.«
Ein paar Soldaten halfen Curtis in die unteren Zweige einer geeigneten Zeder, und von dort aus kletterte er hinauf zu den dickeren Ästen, die aus der knorrigen Mitte des uralten Baumes wuchsen. Er suchte sich einen besonders kräftigen aus und rutschte über das Holz nach außen, bis er eine Stelle fand, wo der Ast sich teilte und er sich in die Gabelung legen konnte. Von diesem Aussichtspunkt aus konnte er die gesamte Kojotenarmee überblicken, die sich über den Kamm erstreckte. Allerdings konnte er auf der anderen Seite der Schlucht immer noch nichts entdecken. Da ertönte unter ihm ein Kommando, und die Füsiliere legten mit einem Ruck die Musketen an. Die geordneten Reihen hinter ihnen stellten ihre rastlosen Bewegungen ein und standen aufmerksam in Bereitschaft. Die Befehle verstummten und es herrschte Stille in der Senke, nur das leise Flüstern des Windes und das Rascheln der Zweige war noch zu vernehmen.
Curtis bemerkte, dass er den Atem anhielt, während er weiterhin den gegenüberliegenden Hügel absuchte.
Plötzlich wurden die Bäume lebendig.
Prue hüpfte aus der Wanne. Sie bildete sich ein, es hätte an der Tür geklopft, und hoffte, es wäre einer der Mitarbeiter des Gouverneurs mit guten Neuigkeiten. Deshalb warf sie rasch den Bademantel über, rannte zur Tür und spähte hinaus in den Flur. Zu ihrer großen Enttäuschung war niemand da.
»Hallo?«, rief sie.
Da fiel ihr Blick auf einen mächtigen Hund, ein Mastiff in einem blauen Anzug, der ganz am Ende des Gangs an der Wand lehnte. Er hob flüchtig den Kopf und wandte sich wieder seinen Pfoten zu. Dann hob er eine Zigarette an die Zähne. Plötzlich leuchtete ein Streichholz auf und erhellte das glatte Fell seines Gesichts. Er nahm einen tiefen Zug und sah Prue an. Er nickte.
»Oh, hallo«, grüßte Prue.
Der Mastiff sagte nichts. Prue kniff die Augen zusammen; da war ein Abzeichen auf der Schulter seiner Jacke. In Großbuchstaben stand dort das Wort SARG.
»Entschuldigung«, rief Prue. »Arbeiten Sie hier?«
Der Hund antwortete nicht.
»Sie wissen nicht zufällig etwas über meinen Bruder, oder? Hat der Gouverneur Sie geschickt?«
Immer noch Schweigen. Der Mastiff zuckte die Achseln und blickte in die andere Richtung.
Na, ganz schön unhöflich , dachte Prue. Sie wollte schon fragen, was der Hund da eigentlich machte, als ein großer Mann im Anzug um die Ecke kam. Die beiden schüttelten sich die Hände und begannen ein leises Gespräch.
Er hat nur auf jemanden gewartet , dachte Prue. Weiter nichts .
Sie schloss die Tür und ging zurück ins Badezimmer, wo sie sich die nassen Haare abtrocknete. Irgendein Lied aus dem Radio schlich sich in ihren Kopf, und sie fing an zu summen. Beim Refrain sang sie ihre eigene Version davon mit. Während sie mit dem Handtuch über Hals und Nacken rubbelte, wanderte sie im schwächer werdenden Licht des frühen Abends durch das Zimmer.
Es war schon fast eine Stunde vergangen, als ein Geräusch von unten sie plötzlich ans Fenster lockte. Die Finken, die sie vorher schon gesehen hatte, glitten aus ihren Ruheplätzen in der Fassade und schwebten vor den Eingang der Villa. Kurze Zeit später wurde die Flügeltür aufgestoßen, und heraus trat der prachtvolle Uhu Rex, eskortiert von Roger, dem Berater des Gouverneurs. Fasziniert beobachtete Prue den riesigen Uhu, der sich umdrehte und seinem Begleiter zunickte. Roger wiederholte seine knappe Verbeugung und ging zurück ins Haus. Die Türen wurden geschlossen. Der Uhu, nun allein im Innenhof, zögerte. Er ließ den Blick über den Horizont schweifen und schien einen Moment lang die Luft zu
genießen – ehe er überraschend seinen gefiederten Kopf umwandte und genau in Prues Fenster sah.
Prue machte einen Satz rückwärts. Doch seine hellen gelben Augen blieben weiter reglos auf sie gerichtet, und sie starrte zurück.
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