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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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übernahm das Gouverneursamt mit Begeisterung und Besonnenheit. Bis er eines Tages während der Gartenarbeit, die er besonders liebte, aus Versehen eine Platte in seiner Brust aufstieß, hinter der das Innenleben seines … na ja, seines Gehäuses zum Vorschein kamen. Völlig entgeistert über diese Entdeckung stellte er seine Mutter zur Rede, die ihm daraufhin die Wahrheit über seinen Tod enthüllte. Er war entsetzt. Er zog sich in seine Räumlichkeiten in der Villa zurück, öffnete das Türchen in seiner Brust, entfernte ein unentbehrliches Teil aus dem Mechanismus seines Körpers – ein kleines Messingzahnrad – und zerstörte es. Die Maschine fraß sich fest, und der Junge wurde wieder leblos.
    So kam die Tat der Gouverneurin ans Licht. Sie wurde vor
Gericht gestellt, und ein langwieriger Prozess deckte schließlich alles auf. Daraufhin wurde sie wegen verbrecherischer Anwendung Schwarzer Magie zur Verbannung nach Wildwald verurteilt. Die Vertreter der Anklage unterstellten ihr sogar die Schuld am Tode ihres Mannes Grigor. Man rechnete nicht damit, dass sie das Exil überleben würde; man glaubte, sie würde von Kojoten in Stücke gerissen oder von Räuberbanden getötet werden.« Der Uhu sah Prue in die Augen und hob eine fedrige Braue. »Es scheint so, als wäre ihr keines dieser Schicksale widerfahren.«
    Prue nickte zustimmend.
    Wieder dem Kamin zugewandt erzählte der Uhu weiter: »Auf die Absetzung der Gouverneurin folgte ein Machtvakuum. Und so wurde Lars Svik, damals ein junger Verwaltungsangestellter, vom Militär als rechtmäßiger Nachfolger für das Gouverneursamt aufgestellt. Viele waren gegen ihn, doch um keinen Bürgerkrieg zu riskieren, traten die fortschrittlichen Kräfte zurück, und Svik und seine Spießgesellen übernahmen das Amt des Gouverneurregenten.«
    Draußen war ein Wind aufgekommen, und ein Zweig peitschte gegen eine Fensterscheibe. Uhu Rex schrak zusammen, dann wandte er sich an Prue und sagte: »Seit damals, fünfzehn Jahre ist das nun her, hat sich das politische Klima in Südwald drastisch verändert. Abweichler werden nicht länger geduldet. Wer seinen Widerstand gegen Lars’ ungeschickte Regierung laut äußerte, wurde degradiert, ins Gefängnis geworfen, manche verschwanden einfach. Die
Souveränität der unabhängigen Länder des Waldes wird eindeutig missachtet, die Intoleranz gegenüber anderen ist unübersehbar. Was mich zu dem Grund unseres Gesprächs führt. Ich gebe gerne zu, dass ich auf meine alten Tage etwas zu viel schwätze, aber ich bitte dich dringend, jetzt ganz genau zuzuhören.«
    Prue beugte sich vor und lauschte aufmerksam. In gedämpftem, verschwörerischem Ton sagte der Uhu: »Es gibt Leute in Südwald, die dir helfen können, aufrichtige Leute, die versuchen, den Rechtsstaat von innen heraus zu verändern. Doch sie sind in der Minderheit. Was den Gouverneur und seine Berater betrifft, so kann man ihnen nicht trauen. Wenn man ein Problem für ihre Interessen darstellt, Prue, werden sie dieses Problem aus dem Weg schaffen . Ist das klar?«
    Von der Eindringlichkeit seiner Frage leicht benommen, starrte Prue stumm vor sich hin.
    »Ich sagte: Ist das klar? «
    »Ja«, beeilte sich Prue zu antworten. »Total klar.«
    »Und nach meinem heutigen Gespräch mit ihnen«, fuhr er fort, »fürchte ich, dass deine Anwesenheit hier möglicherweise zu einem Problem für sie werden könnte.«
    Vor Prues geistigem Auge tauchte der Mastiff auf, den sie in ihrem Badezimmer eingesperrt hatte.
    Uhu Rex lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte in die flackernden Flammen des Feuers, deren Licht sich im Glanz seiner
Augen spiegelte. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie schwer es für mich ist, das alles mit anzusehen; diese langsame und unaufhaltsame Vernichtung all dessen, was Grigor aufgebaut hatte. Es hat mir das Herz gebrochen.« Er hielt sich die Flügelspitze an die Brust und seufzte tief. Dann warf er Prue einen Seitenblick zu. »Ich hoffe, ich habe dir nicht allzu große Angst gemacht – aber du wirkst auf mich wie ein sehr kluges Mädchen. Du wirst diese Angelegenheit mit Mut und Vernunft bewältigen, daran habe ich keinen Zweifel. Es schien mir einfach unerlässlich, dir begreiflich zu machen, mit welchen Leuten du es zu tun hast.«
    »Aber was soll ich tun?« Prue war verzweifelt. »Ich weiß nicht, an wen ich mich noch wenden soll.«
    Der Uhu schwieg einen Moment. Das Ticken der Kaminuhr erfüllte den stillen Raum. »Ich denke mal«, sagte er dann, »wenn

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