WILDWORLD - Die Nacht der Wintersonnenwende: Band 1 (German Edition)
reglos und scheinbar völlig unbeteiligt da. Endlich rührte er sich und seufzte. Ohne sich umzudrehen, antwortete er: » Das ist gut, Aric. Bring sie her!«
Aric sah sich in dem dunklen, kahlen Raum um. » Hierher?«
Cardal Forge nickte. Er war bereits wieder in seinem Tagtraum versunken und sein geistesabwesendes Ja war kaum hörbar.
Als der jüngere Magyr davonging und die Tür einen Spaltbreit offen ließ, spürte Alys Janies Hand auf der Schulter. » Lass uns gehen !«, zischte Janie ihr panisch ins Ohr.
» Sei still!«, hauchte Alys zurück, als Briony sich winselnd näherte. » Ich muss sehen, was passiert. Es könnte Morgana sein, die sie haben.«
» Es ist mir egal, wer es ist«, flüsterte Janie mit zusammengebissenen Zähnen, aber Alys zerrte sie nur noch tiefer in die Dunkelheit hinein und schmiegte sich mit ihr zusammen in die Schatten der Wand.
Als Aric zurückkehrte, hatte er ein Mädchen bei sich, ein sehr junges und zartes und geradezu winziges Mädchen in einem schlichten weißen Gewand, ähnlich einem griechischen Chiton mit einer Schnur als Gürtel. Ein goldener Reif umrahmte ihr Haar, glatt und fein und von der Farbe des Mondlichts. In der rechten Hand hielt sie einen Strauß purpurfarbenen Weiderich, der noch tropfnass war; auf ihrem linken Handgelenk hockte ein kleiner Falke mit glänzenden Augen. Ihre bloße Anwesenheit erhellte den Raum und die vier Schatten wichen noch weiter in die Ecken zurück.
» Hallo«, sagte das Mädchen und bot Cadal Forge den Weiderich dar.
» Oh, verschone uns mit deinem Unkraut!«, rief Aric ungehalten und schlug ihr den Strauß aus den Händen.
» Ruhig, Aric, ruhig!«, sagte Cadal Forge. Er bückte sich würdevoll, hob das Gewächs auf und reichte es dem Mädchen wieder. » Du hast also am Sumpf Weiderich gesammelt, nicht wahr, und am Wasser gespielt?« Seine Worte waren höflich, sein Verhalten charmant, aber es war eindeutig, dass er wie ein großer König zu einem schwachsinnigen Kind sprach.
» Nun, ich habe einen neuen Zeitvertreib für dich«, fügte er hinzu. Dann lächelte er und trällerte fast, als er weitersprach: » Komm, du hast unseren letzten gemeinsamen Ausflug doch sehr genossen.«
Das Mädchen lachte melodisch. » Ja«, sagte sie und wurde dann ernst, » aber versteht Ihr, ich bin jetzt beschäftigt. Ich habe gerade dieses süße Ding in meinem Wald gefangen.« Sie schürzte die Lippen und sah den Falken an, der grimmig zischte. Seine Krallen gruben sich grausam in ihr Handgelenk, aber sie zeigte keinerlei Anzeichen von Schmerz oder Unbehagen.
» Sehr süß«, bemerkte Cadal Forge trocken. » Aber was ich verlange, wird dich nur für einen Moment von ihm ablenken. Hör zu, Elwyn! Du hast deiner streitlustigen Schwester doch schon immer gern Ungemach bereitet.«
Seine nächsten Worte bekam Alys gar nicht mit. Ihre Gedanken überschlugen sich. Das war also Elwyn Silverhair, Morganas Elfen-Halbschwester! Das war die Person, die dafür verantwortlich war, dass die ganze menschliche Welt in Gefahr schwebte, die Person, welche die Herrin der Spiegel überlistet und der Versklavung der Erde Tür und Tor geöffnet hatte …
» Aber ich will nicht mehr spielen«, wandte Elwyn ein und stampfte mürrisch mit einem kleinen, nackten Fuß auf. » Ich habe bereits getan, worum Ihr mich gebeten habt.«
» Ja, du hast mir Morgana gebracht. Aber du hast es versäumt, mir diese umherschleichende Vertraute zu bringen, sodass ich gezwungen war, mich selbst um sie zu kümmern. Und während sie frei herumlief, hat sie – so habe ich allen Grund zur Annahme – andere in das Geheimnis der Spiegel eingeweiht. Was ich von dir will, Elwyn, ist dies: Du sollst noch einmal nach Irenahl hinübergehen und feststellen, ob das tatsächlich zutrifft. Denn wenn ich hier menschliche Besucher bekomme, möchte ich gern … eine passende Begrüßung für sie vorbereitet haben.«
Alys spürte, wie Claudia in der Dunkelheit ihren schattenhaften Kopf in ihrem Schoß vergrub.
» Ich habe Euch doch bereits erklärt, dass ich beschäftigt bin.« Elwyn legte den Kopf schräg und lächelte ihn raffiniert an. » Seht Ihr, ich muss Schilfflöten anfertigen und Blumen pflücken, und ich will meinen Falken fliegen lassen und sehen, wie er andere Vögel schlägt …«
» Ich weiß sehr wohl, dass du viele sehr wichtige Dinge zu erledigen hast, die deine Zeit in Anspruch nehmen«, antwortete Cadal Forge. » Aber um unserer langen Freundschaft willen kannst du doch gewiss eine
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