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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Friedrichsruh beziehungsweise nach dem pommerschen Varzin zurück. Abgesehen von kurzen Pflichtbesuchen, kehrte der Fürst erst am 24. Januar 1890 in die Hauptstadt zurück. In diesen achtzehn Monaten hatte der neununddreißigjährige Graf Herbert von Bismarck, offiziell Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, fast täglichen Kontakt zum Monarchen einerseits und brieflich und telegraphisch zu seinem Vater andererseits. Die schmeichelhafte Umgarnung des Kaisers durch den sonst als menschenverachtend geltenden Herbert verriet aber die grundlegende Schwäche des Bismarckschen Systems, das ja letztendlich vom «Allerhöchsten Vertrauen» des Souveräns abhängig war. Nicht wenige Entscheidungen der Bismarcks in dieser Zeit wurden gegen die eigene Überzeugung gefällt, nur um die eigene Machtstellung nicht zu gefährden. Doch wie lange würde sich dieses Taktieren fortsetzen lassen? Waldersee hetzte weiterhin gegen die angebliche «Rußlandfreundlichkeit» der Bismarcks und unterließ es nicht, Wilhelm II. zu suggerieren, daß Friedrich II. nie «der Große» geworden wäre, wenn er einen Minister wie Bismarck als Vormund gehabt hätte. In Kreuzzeitungskreisen machte die Äußerung Wilhelms die Runde, er wolle «den Alten noch ein Jahr verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst».
    Es war eine scheinbar unbedeutende Personalfrage, die wie ein Blitz in der Ferne das heraufziehende Gewitter ankündigte. Im Mai 1886 hatte Wilhelm bei einer Jagd in Ostpreußen den zwölf Jahre älteren Grafen Philipp zu Eulenburg-Hertefeld kennengelernt, der damals als unbedeutender Legationssekretär an der preußischen Gesandtschaft in München angestellt war und am Starnberger See ein unbekümmertes Künstlerleben führte. Seit dieser ersten Begegnung hatte sich die Freundschaft zwischen den beiden Männern vertieft – Eulenburg, Dichter, Sänger,Komponist, Spiritist, liebevoller Familienvater und nebenbei homosexuell recht aktiv, verliebte sich in den jungen Prinzen, und dieser erhielt von Eulenburg jene bedingungslose Liebe und Bewunderung, von der Hinzpeter einst gesagt hatte, er würde sie nötiger haben als jeder andere Mensch. Im Herbst 1888, kurz nach seiner Thronbesteigung, verlangte der Kaiser von Herbert von Bismarck die Beförderung seines «besten Freundes» zum Gesandten in München. Die bestürzte Reaktion des Reichskanzlers auf diesen Wunsch des Kaisers zeigt deutlich den prinzipiellen Unterschied zwischen Bismarcks Staatsverständnis und dem persönlichen Regierungsstil, den Wilhelm II. verkörperte und durchzusetzen entschlossen war: Wenn Staatsstellen nach den Wünschen des Monarchen besetzt würden, warnte Bismarck, würden die Staatsminister mit der Zeit zu königlichen Kabinettsräten degradiert werden. Es handele sich dabei um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, in der er nicht nachgeben könne. Wenn der Kaiser Philipp Eulenburg mehr liebe als irgendeinen anderen Menschen, wie Herbert berichtet habe, so gehöre der Kaiserfreund nicht in den Staatsdienst, sondern an den Hof. Genauso, wie Bismarck voraussagte, ist es dann auch gekommen: Im Lauf der nächsten Jahre setzte Kaiser Wilhelm mit Eulenburgs Hilfe seine persönliche Herrschaft durch; die Minister und selbst der Reichskanzler wurden Schritt für Schritt zu königlichen Handlangern herabgestuft.
    Seit Mai 1889 häuften sich die Konflikte zwischen Kaiser und Kanzler. Durch Hinzpeter aus Bielefeld dazu angespornt, griff Wilhelm in den Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet ein. Am 12. Mai platzte er «sehr erregt» in die Sitzung des preußischen Staatsministeriums und erklärte, er lehne die Politik des Kanzlers ab; «die Arbeiter seien Seine Unterthanen für die Er zu sorgen habe». Kurz darauf empfing er Deputationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Vielsagend stöhnte Bismarck nach dieser besorgniserregenden Episode, «der junge Herr» habe die «Auffassung von Friedrich Wilhelm I. über seine Machtbefugnisse»; er müsse dringend aufgeklärt werden, um ihn vor solchen «Übereilungen» zu schützen. Das war aber leichter gesagtals getan. Im darauffolgenden Monat verbot der Kaiser dem Reichskanzler im schrillen Kommandoton die Konversion russischer Anleihen, nachdem ihm Waldersee weisgemacht hatte, es handele sich dabei um ein schmutziges Geldgeschäft Gerson Bleichröders, des jüdischen Bankiers Bismarcks. Während der ersten Nordlandreise im Sommer 1889, an der auch Eulenburg teilnahm, redete Waldersee dem Kaiser ein, Bismarck sei überhaupt

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