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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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er sich mit den verräterischen Worten: «Ich wäre ein anderer Reichskanzler wie die bisherigen. Bismarck war eine Macht für sich. […] Caprivi und Hohenlohe fühlten und fühlen sich doch als Vertreter des ‹Gouvernements› und bis zu einem gewissen Grade des Parlaments Seiner Majestät gegenüber. Ich würde mich als ausführendes Werkzeug Seiner Majestät betrachten, gewissermaßen als sein politischer Chef des Stabes. Mit mir würde im guten Sinne, aber tatsächlich ein persönliches Regiment beginnen.» Prophetisch fügte der Reichskanzler
in spe
hinzu: «Wenn dieser Versuch wirklich persönlichen Regimes mißlänge, wäre es schlimm für unsern lieben Kaiser.»
    Im Juli 1897, als Bülow auf dem Weg von Rom zur Übernahme des Auswärtigen Amts mit seinem Gönner Eulenburg am Frankfurter Hauptbahnhof zusammentraf, drückte ihm der kaiserliche Krisenmanager mit der Mahnung, er sei des Kaisers «letzte Karte», einen Zettel in die Hand mit dem vielsagenden Rat: «Wilhelm II. nimmt alles persönlich. Nur persönliche Argumente machen ihm Eindruck. Er will andere belehren, läßt sich aber ungern belehren. Er verträgt keine Langeweile; schwerfällige, steife, allzu gründliche Menschen gehen ihm auf die Nerven und erreichen nichts bei ihm. Wilhelm II. will glänzen und alles selbst machen und entscheiden. Was er selbst machenwill, geht leider oft schief aus. Er ist ruhmliebend, ehrgeizig und eifersüchtig. Um einen Gedanken bei ihm durchzusetzen, muß man tun, als ob der Gedanke von ihm käme. […] Vergiß niemals, daß S. M. ein Lob hin und wieder braucht. Er gehört zu den Naturen, die ohne eine Anerkennung hin und wieder, aus bedeutendem Munde, mißmutig werden. Du wirst immer Zugang zu allen Deinen Wünschen haben, wenn Du nicht versäumst, Anerkennung zu äußern, wo S. M. sie verdient. Er ist dankbar dafür wie ein gutes, kluges Kind. Bei fortgesetztem Schweigen, wo er Anerkennung verdient, sucht er schließlich Übelwollen. Die Grenze zum Schmeicheln werden wir beide immer genau einhalten.» Auf dieser Grundlage begann nun, sieben Jahre nach Bismarcks Sturz, das System Bülow, das bestenfalls als fauler Kompromiß zwischen Kaiser und Kanzler bezeichnet werden kann und unverkennbar die Gefahr von horrenden Fehlentscheidungen und Skandalen in sich trug.
    Das System Bülow war die institutionalisierte Fortsetzung der Günstlingswirtschaft Eulenburgs. «Wenn ich nicht ständige (mündliche und schriftliche) Fühlung mit S. M. aufrechterhalte», gestand Bülow ein, «geht der mühsam zusammengeleimte Status quo aus den Fugen.» In seinem täglichen Verkehr mit dem Monarchen hat Bülow die «Grenze zum Schmeicheln» ebensowenig eingehalten wie Eulenburg vor ihm. Nicht nur nach unserem heutigen Empfinden, auch in den Augen der Zeitgenossen war das, was sich der neue Reichskanzler an byzantinischer Liebedienerei leistete, im höchsten Grade degoutant. Ein Hofmarschall empörte sich, Bülow dabei beobachtet zu haben, wie er sich auf seine Hemdsmanschetten Notizen machte, um die Allerhöchsten Befehle Seiner Majestät nur nicht zu vergessen. Zehn Jahre nach dem Sturz Bismarcks war der deutsche Reichskanzler in der Tat zum Höfling degradiert worden.
    Selbstredend war es Bülows Kalkül, mit höfischem Gebärdenspiel und geistreicher Plauderei den Kaiser für seine eigene Politik zu gewinnen. Er ging auch davon aus, daß er durch enge Tuchfühlung mit dem sprunghaften Monarchen schädliche Fehltritte würde verhindern können, worin er keineswegs immer erfolgreich war, wie die blutrünstige Rede Wilhelms vomJuli 1900 zeigen sollte, in der er seine Marinesoldaten aufforderte, sich in China wie die Hunnen zu benehmen und keine Gefangenen zu machen. Allein: Bülow mußte vorsichtig alles vermeiden, was das «Allerhöchste Vertrauen» zu ihm hätte gefährden können. «Seiner Majestät dem Kaiser Vorschläge zu machen, die ohne jede Aussicht auf sachlichen Erfolg Allerhöchstdenselben nur an mir irre machen würden, kann ich nicht für nützlich halten», erklärte er, sein ganzes System verratend. Zwischen dem herrischen Kaiser, der darauf beharrte, die Richtlinien der Innen- und Außenpolitik selbst zu bestimmen, und seinem «Bülowchen» (wie Wilhelm ihn nannte) entstand ein symbiotisches Verhältnis, das es beinahe unmöglich macht, im nachhinein festzustellen, wer wen zu welcher Entscheidung überredet hat und wie oft der Kanzler wider besseres Wissen nachgeben mußte, um das gegenseitige Einvernehmen nicht zu

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