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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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der richtige und er wird weiter gesteuert», rief er aus. «Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe Ich euch noch entgegen.» «Ich bin der alleinige Herr der deutschen Politik und mein Land muß mir folgen, wohin immer ich gehe», behauptete er um die Jahrhundertwende. Derartige Ansprüche waren so unzeitgemäß, daß man sich allen Ernstes fragte, ob der Kaiser nicht geisteskrank sei. Bereits 1894 fand die Schrift
Caligula
des Historikers Ludwig Quidde, darin er Wilhelm II. kaum verdeckt «Cäsarenwahnsinn» vorwarf, enormen Anklang. In Wien machte der Witz die Runde, Kaiser Wilhelm wolle auf jeder Jagd der Hirsch, auf jeder Hochzeit die Braut, und auf jeder Beerdigung die Leiche sein!
    Dem übersteigerten Herrschaftsanspruch ihres Souveräns hatten die Kanzler, Minister und Staatssekretäre der nachbismarckischen Zeit nichts entgegenzusetzen. Wilhelm tyrannisierte sie mit den krassesten Beschimpfungen. «Ihr wißt alle gar nichts. Nur ich weiß was, nur ich entscheide», war der Tenor seines Umgangs, der häufig auch in maßlos aggressiven Randbemerkungen zum Ausdruck kam. Selbst den Kriegsminister und den Chef des Militärkabinetts redete er mit den Worten «Ihr alten Esel» an. «Das Auswärtige Amt?» fragte er verächtlich. «Wieso? Ich bin das Auswärtige Amt!» Seine Diplomaten hätten so «die Hosen voll», daß die ganze Wilhelmstraße zum Himmel stinke. Natürlich behielt er sich die Ernennung der Diplomaten persönlich vor. «Ich schicke nur einen Botschafter nach London, der Mein Vertrauen hat, Meinem Willen pariert, Meine Befehle ausführt», insistierte er noch 1912.
    Angesichts des so lauthals vorgetragenen kaiserlichen Willens zur Macht erstaunt es nicht, daß die «verantwortliche Regierung» im Verlauf der krisenhaften 1890er Jahre den Widerstand gegen die Persönliche Monarchie aufgab. Bereits 1892 zog sich Caprivi von der Stelle des preußischen Ministerpräsidenten zurück, gab diesen Posten an den erzkonservativen Grafen Botho zu Eulenburg (einen Vetter Philipps) ab und blieb nur als Reichskanzler und preußischer Minister für Auswärtige Angelegenheiten im Amt. Die Autorität des Reichskanzlers wurde damit buchstäblich «halbiert», zumal Wilhelm II. Botho Eulenburg noch zum preußischen Innenminister ernannte. Nach der «neunten Krise» entließ er im Oktober 1894 überraschend sowohl Caprivi als auch Botho Eulenburg und ernannte auf Vorschlag seines Intimfreundes Philipp Eulenburg den fünfundsiebzigjährigen bayerischen Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst zum Reichskanzler und Ministerpräsidenten Preußens. Da Adolf Marschall von Bieberstein, ein Badener, als Staatssekretär des Auswärtigen Amts im Amt blieb und auch im Reichstag eine beachtliche Rolle spielte, war ein Konflikt zwischen dem preußisch-militaristischen Hohenzollernherrscher und den liberaleren «Süddeutschen» in der Wilhelmstraße vorprogrammiert. Erst nach massiven Auseinandersetzungen, bei denen Philipp Eulenburg wieder dem Kaiser quasi als «schwarzer Reiter» beratend zur Seite stand, endete der Konflikt im Sommer 1897 mit einem klaren Sieg des Monarchen. Marschall von Bieberstein wurde durch den geschmeidigen Diplomaten Bernhard von Bülow – wiederum der Kandidat seines Duzbruders Eulenburg – ersetzt, der von Anfang an die Rolle eines designierten Reichskanzlers spielen konnte. Hohenlohe blieb zwar noch bis Oktober 1900 im Amt, gestand aber selber ein, was auch für jeden ersichtlich war, daß er zur bloßen «Strohpuppe» des Kaisers herabgesunken war.
    Ohne den Schutz der «ministeriellen Kleidungsstücke» war jedoch die Krone, wie Bismarck gemahnt hatte, zunehmend dem Sturm der öffentlichen Kritik ausgesetzt. 1897 prangerte der linksliberale Parlamentarier Eugen Richter im Reichstag unter dröhnendem Beifall das «persönliche Regiment» WilhelmsII. mit den Worten an: «Wo sind denn heute Minister? So weit Sie blicken, nichts als geschmeidige Höflinge, die sich jeder Ansicht von oben anschließen, avancierte Bürokraten, schneidige Husarenpolitiker, Handlanger. […] Deutschland ist ein monarchisch-konstitutionelles Land: aber nach dem Programm ‹sic volo sic jubeo, regis voluntas suprema lex› mag man vielleicht in Rußland noch eine Zeit lang regieren können; das deutsche Volk läßt sich auf die Dauer nicht danach regieren.» Ende 1899 griffen Richter und Ernst Lieber, der Fraktionsvorsitzende der Zentrumspartei, den Kaiser erneut im Reichstag heftig an. Dank

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