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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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homo-phobischere Züge annahm, Hardens Kampagne gegen die «Liebenberger Tafelrunde» richtete sich nicht gegen die Homosexualität als solche, sondern gegen die Charaktereigenschaften, die er speziell bei dem «verweichlichten» Eulenburg wahrzunehmen meinte: dessen schwärmerisches, verliebtes, gänzlich unkritisches Verhalten dem Kaiser gegenüber, seinen Hang zu Mystizismus, Spiritismus und Gesundbeterei, ferner die Cliquenwirtschaft, die den Kaiser angeblich von der harschen Realität abschirmte, und nicht zuletzt auch seine pazifistische Nachgiebigkeit in der Außenpolitik in Verbindung mit den homosexuellen Seilschaften, die (wie er glaubte) die nationale Sicherheit des Reiches gefährdeten. Es war denn auch die Nachricht, daß Eulenburg den geschwätzigen Kaiser drei Tage lang in engstem Kreis auf Schloß Liebenberg mit dem notorisch schwulen französischen Diplomaten Lecomte zusammengebracht hatte, die im November 1906 das Faß zum Überlaufen brachte und Hardens Feldzug auslöste.
    Als Reichskanzler befand sich Bülow durch die Angriffe auf die Liebenberger Tafelrunde in einem brisanten Dilemma, das er mit der ihm eigenen diabolischen Duplizität zu lösen trachtete. Einerseits hatte die Liebenberger Clique, vertrauend auf ihren Einfluß bei Wilhelm, tatsächlich vor, den angeblich verbrauchten Bülow zu stürzen und die Macht an sich zu reißen: Der Chef des Generalstabes, Helmuth von Moltke, war als Reichskanzler vorgesehen mit Varnbüler als Außenstaatssekretär oder Botschafter in St. Petersburg. Andererseits war Bülow durch seine eigene homosexuelle Vergangenheit derart kompromittiert, daß er jeden Augenblick mit in den Strudel der Skandale hineingezogen werden konnte. Sein steiler Aufstieg in der Gunst des Kaisers hatte er Eulenburg zu verdanken, der weiterhin im Besitz seiner zahlreichen Briefe war, die von Liebesbekundungen für ihn und den «heißgeliebten Kaiser» nur so wimmelten. In der Schwulenszene war Bülows homosexuelle Neigung alles andere als unbekannt, zumal er Max Scheefer, seinen Partner in Rom, zu seinem Privatsekretär in der Reichskanzlei ernannt hatte. Als Harden seine Kampagne gegen die Liebenbergereröffnete, unternahm Adolf Brand, ein Vorkämpfer für die Rechte der Homosexuellen, sogar den Versuch, den Kanzler zu «outen», wofür er zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde.
    Mit Recht erblickte Bülow in einer stillschweigenden Flucht Eulenburgs ins Ausland die einzige Möglichkeit, einen verheerenden Sittenskandal zu verhindern, der der Monarchie, dem Ansehen des Reiches und nicht zuletzt ihm selber unkalkulierbaren Schaden zufügen würde. Der Kanzler zitierte Varnbüler und verwies «unter den üblichen Freundschaftsbeteuerungen für Phili» auf das erdrückende Belastungsmaterial, das gegen Eulenburg «in geheimen Berichten der politischen und Sittenpolizei von Wien, München, Berlin» in den Safes des Auswärtigen Amts vorlag. Trotz dieser Warnung weigerte sich Eulenburg jedoch, diesen Ausweg zu wählen, und verließ sich aufs Bluffen. Er stritt jedwede «perverse Neigung» oder «Schmutzerei» vehement ab, auch unter Eid, und geriet somit wie schon Kuno Moltke in den Strudel einer desaströsen Serie von Sensationsprozessen, die den Hohenzollernthron erschütterten. Als Eulenburg schließlich 1908 in die Falle tappte, die ihm Harden und sein raffinierter Rechtsbeistand Bernstein in einem fingierten Prozeß in München gestellt hatten, war er, wie Varnbüler bitter feststellte, «verloren rettungslos». Im Urteil Varnbülers blieb Eulenburg jetzt nur noch der Selbstmord.
    Im Mai 1907 hat Wilhelm II. impulsiv das Tischtuch zwischen sich und seinen beiden Freunden entzweigeschnitten. Auch wenn er zwischendurch die Hoffnung auf einen Freispruch nicht aufgab und gelegentlich sogar von einer Rehabilitierung sprach, so war er doch erschüttert von den Einzelheiten, die aus seinem intimen Verkehr mit den Liebenbergern an die Öffentlichkeit gelangten und in der Weltpresse breitgetreten wurden. Mitten im ersten Moltke-Harden-Prozeß erlitt er einen Ohnmachtsanfall, veranlaßt, wie er meinte, durch die dadurch erzeugten «schauerlichen seelischen Depressionen».
    Der Sturz Eulenburgs und Moltkes, die Wilhelm nie wieder empfangen hat, hinterließ in seinem Leben eine Lücke, die um so empfindlicher wirkte, als auch andere Liebenberger es für geratenhielten, sich von ihm fernzuhalten. Als Ersatz wählte der Kaiser den badisch-böhmischen Grandseigneur Max

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