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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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verbarg sich der unvereinbare Gegensatz zwischen zwei europäischen Staatenordnungen, nämlich der des Gleichgewichts auf der einen und der der Hegemonie auf der anderen Seite. Seit Hunderten von Jahren diente die Aufrechterhaltung des Gleichgewichtsder Kräfte – der Balance of power – auf dem Kontinent als Leitprinzip der britischen Europapolitik. Ob gegen das Spanien Philipps II. oder das Frankreich des Sonnenkönigs und Napoleons, England suchte seine Interessen und letzten Endes seine nationale Existenz dadurch zu sichern, daß es sein Gewicht stets zugunsten der schwächeren Mächtekombination auf dem Festland in die Waagschale warf, um dort die Vorherrschaft einer einzigen Großmacht zu verhindern. Um die Jahrhundertwende identifizierten sowohl die Londoner Regierung als auch die einflußreiche öffentliche Meinung auf der Insel das überaus erfolgreiche Deutsche Reich mit seinem aufregenden, ambitiösen und doch so unberechenbaren Kaiser als die größte Gefahr für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts. Es war also alles andere als ein Zufall, daß Großbritannien, als es nach dem Burenkrieg beschloß, seine Splendid isolation aufzugeben, sich nicht (wie Wilhelm zunächst gehofft hatte) mit Deutschland verbündete, sondern Anlehnung an die von Deutschland bedrohte französische Republik suchte, die wiederum seit 1894 mit dem absolutistischen russischen Zarenreich verbündet war. Weder die Unterschiede in den Verfassungssystemen noch deren Rivalitäten in Übersee wogen so schwer, daß sie das Zusammenrücken der drei sich in Europa bedroht fühlenden Weltreiche verhinderten. Die Staatsräson, die Großbritannien an die Seite Frankreichs und Rußlands gegen das immer stärker werdende Deutsche Reich zwang, brachte König Edward VII. 1909 auf den Punkt, als er sagte, stehe das Inselreich in einem Kontinentalkrieg abseits, hätte Deutschland die Möglichkeit, «seine Feinde einen um den anderen zu vernichten, […] bis es zuletzt vermutlich uns selbst angreift». Aus der Sicht Wilhelms II. aber kam der Abschluß der Triple Entente in den Jahren 1904 bis 1907 einer «Einkreisung» seines Reiches gleich, die seine Hoffnung auf eine deutsche Suprematie auf dem Kontinent zunichte machte. In erster Linie hielt er seinen Onkel Edward für die Vereitelung seiner Ambitionen verantwortlich. «Er ist ein Satan; man glaubt es gar nicht, was für ein Satan er ist», rief er in seiner Frustration aus. Die seit 1905 nicht mehr zu übersehende internationale Isolierung des Deutschen Reichs erzeugte sowohlin Wilhelm II. als auch in der deutschen Öffentlichkeit eine panische Nervosität, die in geradezu klassischer Weise in der Form von Skandalen zum Ausdruck kam.

IV. Der skandalumwitterte Souverän (1906–1909)
Die Eulenburg-Affäre (1906–1909)
    Philipp Eulenburg, der «schwarze Reiter, der zur Seite des Kaiserlichen Wanderers war, als dieser auf den Irrweg einlenkte», wie ihn Holstein einst nannte, hatte den jungen Monarchen in den Kanzlerkrisen der 1890er Jahre beraten und schließlich mit der Ernennung Bülows zum Staatssekretär beziehungsweise Reichskanzler die Persönliche Monarchie Wilhelms II. durchsetzen und vorübergehend stabilisieren können. Durch seine riskant ausgelebte Homosexualität war «Phili» aber selber äußerst gefährdet. Zwar hatte er es als Diplomat vermeiden können, in Länder entsandt zu werden, in denen gewisse gleichgeschlechtliche Handlungen noch strenger geahndet wurden als in Deutschland, aber selbst im in dieser Hinsicht toleranten Bayern, wo er bis 1894 als preußischer Gesandter fungierte, waren seine Ausschweifungen stadtbekannt. Als deutscher Botschafter in Wien wurde er von der Geheimpolizei beschattet, nicht etwa, um ihn zu inkriminieren, sondern um Erpresser von ihm fernzuhalten. Trotzdem wurde er Opfer eines Wiener Bademeisters, der für sein Schweigen 60.000 Mark forderte und auch erhielt. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe empörte sich, als Eulenburg die Unverfrorenheit besaß, diese Summe unter einem Vorwand aus der Staatskasse zurückzuverlangen.
    Fatal erwies sich die Entscheidung Wilhelms II., seinem Freund eine Freude zu bereiten, indem er ihm 1897 Graf Kuno Moltke als Militärattaché in Wien zur Seite stellte. Kurz zuvor hatte «Tütü» Moltke, wohl um seine Homosexualität zu verschleiern, den Fehler begangen, die junge Lili von Kruse zu heiraten, die darauf bestand, mit ihm nach Wien zu ziehen, wo sieZeugin des geradezu verliebten Verhältnisses

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