Wilhelm Storitz' Geheimnis
und betete das Offertorium und der Diakon und Subdiakon stellten sich ihm zur Seite.
Wenn ich Schritt für Schritt die Einzelheiten dieser Hochzeitsmesse schildere, geschieht es darum, weil sie sich alle unverwischbar meinem Geiste eingeprägt haben und die Erinnerung daran meinem Gedächtnis unauslöschlich verblieben ist.
Nun erhob sich auf dem Sängerchor eine prachtvolle Stimme, von einem Quartett der Saiteninstrumente begleitet! Ein in ganz Ungarn berühmter Tenor sang die Hymne der Opferung.
Jetzt verließen Markus und Myra ihre Plätze und traten vor die Stufen des Altares und nachdem der Subdiakon ihr reiches Almosen erhalten hatte, berührten sie mit ihren Lippen, wie im Kusse, die Patene, die ihnen der zelebrierende Priester reichte. Dann schritten sie nebeneinander zu ihren Plätzen zurück. Niemals, nein, niemals noch hatte Myra so strahlend schön, so vom Glück verklärt ausgesehen!
Dann wurde für die Kranken und Armen gesammelt. Der Kirchendiener schritt voran und junge Mädchen glitten durch die Reihen des Chores und des Schiffes, und man hörte das Rauschen der Kleider, das Rücken der Stühle, das Murmeln der Menschen, während die Geldstücke klingend in die Tasche fielen.
Endlich wandte sich der Erzpriester, von seinen Assistenten begleitet, an das Brautpaar; er blieb dicht vor ihnen stehen.
»Markus Vidal, begann er mit seiner zitternden Stimme, die aber von allen vernommen wurde, so still war es in der Kirche geworden, – sind Sie gewillt, Myra Roderich zur Gattin zu nehmen?
– Ja, antwortete mein Bruder.
– Myra Roderich, sind Sie gewillt, Markus Vidal zum Gatten zu nehmen?
– Ja«, hauchte Myra.
Ehe nun der Erzpriester die bindenden Worte sprach, empfing er die Eheringe aus der Hand meines Bruders und segnete sie; eben wollte er den einen der jungen Frau an den Finger stecken…
In diesem Augenblicke ertönte ein Schrei, ein Schrei der Todesangst und des höchsten Schreckens.
Und ich sah – und Tausende andere sahen es mit mir: –
Der Diakon und der Subdiakon wichen schwankend zurück, wie von einer unsichtbaren Hand gestoßen; der Erzpriester schien mit zitternden Lippen, irrem Blick und entsetzensbleichen Zügen mit einem unsichtbaren Feinde zu ringen und sank schließlich in die Knie….
Unmittelbar nachher – denn all diese Vorgänge spielten sich mit der Schnelligkeit des Blitzes ab, so daß niemand dazwischen treten, sie nicht einmal begreifen konnte – wurden mein Bruder und Myra angegriffen und fielen auf die Steinplatten hin….
Darauf flogen die Eheringe durch die Luft; einer von ihnen traf heftig mein Gesicht….
Und in diesem Augenblick vernahm ich – und Tausende hörten es wie ich – von einer schrecklichen Stimme, die wir nur zu gut erkannten, es war Wilhelm Storitz’ Stimme, die Worte:
»Fluch den Vermählten!… Fluch!…«
Bei diesen entsetzlichen Worten, die aus einer anderen Welt zu kommen schienen, legte es sich erst wie lähmendes Entsetzen auf die Menge, dann rang sich aus den Kehlen ein dumpfes Stöhnen: Myra, welche sich mühsam aufgerichtet hatte, stieß einen herzzerreißenden Schrei aus und fiel dem schreckensbleichen Markus besinnungslos in die Arme.
XIII.
Die Ereignisse, denen wir in der Kathedrale beigewohnt hatten und jene anderen, deren Schauplatz der Salon der Frau Roderich gewesen, verfolgten ein und dasselbe Ziel und stammten aus derselben Quelle. Wilhelm Storitz und kein anderer war der Urheber. Konnte man sich angesichts dieser neuen Tatsachen noch auf ein Taschenspielerkunststück berufen?… Ich war gezwungen, mir mit einem »Nein« zu antworten. Nein, weder der Skandal in der Kirche, noch der Raub des Brautkranzes konnten derartigen Zauberkünsten zugezählt werden. Ich war zu dem Schlusse gekommen, daß dieser Deutsche von seinem Vater tatsächlich ein wissenschaftliches Geheimnis ererbt haben müsse, eine vor der übrigen Welt verborgen gehaltene Erfindung die ihm die Mittel lieferte, sich unsichtbar zu machen…. Warum auch nicht?… Vielleicht wohnte gewissen Lichtstrahlen die Eigenschaft inne undurchsichtige Körper zu passieren, als ob sie durchsichtig wären!… Aber meine Gedanken schweiften ab!… Mich verfolgten wohl eitle Hirngespinste und ich hütete mich, sie jemandem anzuvertrauen.
Wir hatten Myra heimgebracht, ohne daß ihr die Besinnung zurückgekehrt wäre Man trug sie in ihr Zimmer und legte sie dort auf ihr Bett. aber trotz allen Bemühungen konnte sie nicht ins Leben zurückgerufen werden. Sie blieb
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