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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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ihm. »Der Täter hatte nicht vor, sie umzubringen. Sonst hätte er sich kaum ein so teures Kondom besorgt, oder?«
    Trent nickte, schwieg jedoch.
    »Nun gut.« Pete beendete das Schweigen. »Wie ich eben gesagt habe...« Um seinen Vortrag wiederaufzunehmen, öffnete er nun den Mund der Frau und zeigte auf den Zungenstummel, »...die Zunge enthält keine größeren Arterien bis auf die Zungenarterie, die sich verzweigt wie Wurzeln eines Baums, wobei die Verästelungen an den Enden spitz zulaufen. Um an sie heranzukommen, müsste man ein ganzes Stück in den Mund hinein, und dann könnte man seine Zähne nicht mehr benutzen.« Er runzelte die Stirn und überlegte einen Augenblick. »Stellen Sie sich einen Dackel vor, der versucht, sein Schnauze in einen Dachsbau zu stecken.«
    Michael wollte es nicht, aber das Bild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, und das schrille Kläffen gellte ihm in den Ohren.
    »In diesem Fall«, fuhr Pete fort, »trennte der Biss das Frenulum linguae vom Organ und durchtrennte den Ductus submandibularis.« Er öffnete nun seinen Mund, hob die Zunge an und deutete auf das schmale Bändchen an der Unterseite. »Die Entfernung der Zunge ist an und für sich noch keine lebensbedrohende Verletzung. Das Problem ist, sie fiel auf den Rücken. Vielleicht wirkten sich der Schock des Vorfalls oder die verschiedenen chemischen Substanzen in ihrem Körper auf ihren Zustand aus. Infolge davon wurde sie ohnmächtig. Im Verlauf von einigen Minuten staute sich das Blut aus der abgetrennten Zunge in ihrer Kehle. Meine offizielle Todesursache wird lauten: Erstickung infolge Blockade der Luftröhre durch Blut, was zu einem Atemstillstand führte, bedingt durch Ausblutung nach der traumatischen Amputation der Zunge.«
    »Aber«, wandte Michael ein, »er wollte nicht, dass sie stirbt.«
    »Es gehört nicht zu meinen Aufgaben, mir auszumalen, was im Hirn eines Mannes vorgeht, der einer Frau die Zunge abbeißt. Aber wenn ich ein Zocker wäre, und meine Exfrauen werden Ihnen sagen, dass ich einer bin, dann ja. Ich würde davon ausgehen, dass der Angreifer sie nicht töten wollte.«
    »Wie bei den anderen«, sagte Trent.
    »Es gibt noch mehr?«, fragte Pete mit plötzlichem Interesse. »Ich habe noch von keinem Fall gehört, der Ähnlichkeiten mit diesem aufweist.«
    »Es gibt noch zwei Mädchen, von denen wir wissen. Dem ersten wurde in die Zunge gebissen, aber sie wurde nicht vollständig abgetrennt und konnte wieder angenäht werden. Danach ging es ihr gut - relativ gut. Das zweite Mädchen verlor ihre Zunge. Es war zu viel Zeit vergangen, um sie wieder risikolos anzunähen.«
    Pete schüttelte den Kopf. »Armes Ding. Sind das neuere Fälle? Ich habe nichts darüber gelesen.«
    »Der erste Überfall passierte auf Staatsgrund, und wir konnten ihn geheim halten. Die Eltern des zweiten Mädchens sperrten die Presse aus, und die Beamten vor Ort hielten die Details unter Verschluss. Wenn keiner den Mund aufmacht, gibt es keine Story.«
    »Was ist mit dem dritten Fall?« Michael musste diese Frage einfach stellen. »Dem kleinen Mädchen.«
    Trent informierte Pete über diesen Fall. »Meiner Meinung nach hat sie sich selbst gebissen«, schloss er. »Sie ist sehr jung, zehn Jahre alt. Sie muss eine entsetzliche Angst gehabt haben. Die örtliche Polizei ist gut, hat aber mit dieser Art von Gewaltverbrechen noch keine allzu große Erfahrung. Wahrscheinlich war es für die Beamten sehr schwierig, irgendetwas aus ihr herauszubekommen .«
    »Mit Sicherheit«, entgegnete Pete, und Michael fragte sich, warum Trent ihm das vorenthalten habe. Vielleicht wollte er Michael auf den Zahn fühlen, sehen, ob er den Test bestand.
    Scheiße, dachte Michael. Er hatte keine Lust mehr, durch irgendwelche brennenden Reifen zu springen. Er fragte den Pathologen: »Was glauben Sie, wie alt sie ist?« Er nickte in Aleesha Monroes Richtung.
    »Schwer zu sagen.« Pete betrachtete das Gesicht der Frau. »Die Zähne sind ein Graus wegen der Drogen. Ausgehend von ihren schwierigen Lebensumständen und der langen Drogenabhängigkeit würde ich sie auf Ende dreißig schätzen; vielleicht älter, vielleicht jünger.«
    Michael schaute zu Trent. »Aber kein Teenager.«
    »Eindeutig nicht«, entgegnete Pete.
    »Dann haben wir also zwei Teenager dreißig Meilen entfernt und eine alte Junkienutte in Atlanta, und das Einzige, was sie verbindet, ist diese Zungenscheiße.« Er starrte Trent an, wie um ihm deutlich zu machen, worauf er hinauswollte.

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