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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Zehen gegen etwas Weiches stießen. »Alles in Ordnung mit dir?«
    Das Mädchen war entweder zu verängstigt, um zu antworten, oder tot.
    Angie kniete sich hin, neigte ihren Kopf in die Richtung, in der sie Jasmines Mund und Nase vermutete, und lauschte auf Lebenszeichen.
    Nichts.
    Angie drehte sich und tastete blind mit den Fingern. Sie strich am nackten Körper des Mädchens entlang, berührte klebriges Blut und spürte plötzlich das flache Auf und Ab von Jasmines Brustkorb - sie atmete, wenn auch sehr schwach. Angie hatte ihre Mutter nicht oft berührt, aber bei ihren wenigen Besuchen bei Deirdre in diesem Heim hatte sie sich genau so angefühlt: totes Gewicht, nur eine Hülle, die aussah wie ein Körper. »Jasmine?«, flüsterte Angie.
    Das Mädchen rührte sich nicht, als Angie ihr Gesicht berührte, ihre Haare. Angies Finger fuhren in die Krause, und sie schrak zurück.
    »O Gott!« Angie krümmte sich und versuchte, nicht noch einmal zu kotzen. Sie hatte den Schädel des Mädchens berührt, den gesplitterten Knochen gespürt und die feuchte, weiche Masse darunter.
    Sie mussten von hier weg. Sie brauchten Hilfe.
    Angie stand auf und schritt den Keller ab. Gut drei Meter breit, etwa vier Meter tief. Bevor die Glühbirne wieder ausgeschaltet wurde, hatte sie an den Wänden roh zusammengezimmerte Regale gesehen. Mit den am Rücken gefesselten Händen war es unmöglich, die oberen Etagen zu inspizieren. Ihre Finger ertasteten nur Leere, als sie die unteren Bretter nach irgendetwas absuchte, das man als Waffe benutzen konnte.
    Der Keller war leer und der gestampfte Lehmboden sauber gefegt.
    Vielleicht war ihr Handgelenk nicht komplett gebrochen. Angie konnte die Finger noch bewegen, aber sie fühlten sich geschwollen und heiß an, als würde sich bereits eine Infektion ankündigen. An den Schmerz hatte sie sich inzwischen gewöhnt, sie war fast froh um ihn, weil er sie ablenkte von dem Pochen im Kopf und dem Aufruhr im Magen. Auch die Dunkelheit half ihr. Es gab nichts, worauf ihre Augen sich konzentrieren konnten, nichts, was sie selbst ablenken konnte.
    Michael war oben. Vielleicht bereitete er sich das Mittag- oder Abendessen zu. Sie wusste nicht, wie spät es war und wie lange sie schon in diesem verdammten Loch steckte.
    Jedes Geräusch, das er machte - wenn er einen Stuhl über den Boden zog oder Dielen knarzten, wenn er herumging -, steigerte ihre Wut nur noch. Sie kochte vor Hass. Er hatte sie geknackt. Er hatte sich in ihr Bewusstsein gedrängt und dafür gesorgt, dass sie sich vorkam wie ein Stück Scheiße. Sie hatte mehr Männer in ihrem Körper gehabt, als sie zählen konnte, aber keiner war je so in ihren Kopf eingedrungen.
    Sie würde ihn töten, wenn er wiederkam. Sie würde ihn töten oder ihn dazu bringen, sie zu töten. Das waren die einzigen Optionen.
    Angie nahm all ihre Kraft zusammen und glitt an der Wand nach unten, bis sie kniete. Zwei Schritte bis zur Treppe, zu den einbetonierten Glasscherben auf der untersten Stufe. Sie drehte sich und tastete mit den Händen danach, vorsichtig, um die bereits aufgerissenen Finger nicht noch mehr zu verletzen. Dann brachte sie den dicken, verknoteten Strick über der größten Scherbe in Position. Sie saugte Luft durch die Zähne und versuchte nicht an den Schmerz zu denken, während sie das Seil an der Scherbe rieb.
    Seine Handschellen hatte Michael bei Jasmine benutzt. Bei Angie hatte er zum Fesseln einen Strick verwendet.
    »Du Arschloch«, hauchte sie, ein Mantra für sich selbst. Michael Ormewood machte keine Fehler. Er hatte immer die Kontrolle, hatte immer alles in der Hand. Alles bis auf die Tatsache, dass Glas einen Strick durchtrennen konnte.
    »Du blödes Arschloch.«
    Blut tropfte auf ihre Hände, benetzte den Strick um ihre Handgelenke.
    Angie hörte auf zu sägen, versuchte wieder zu Atem zu kommen, es langsam angehen zu lassen. Beim ersten Versuch, das Seil zu durchschneiden, war sie noch fast ohnmächtig geworden, doch mit jedem neuen Versuch verfeinerte sie ihre Technik, fand mehr über die Knoten heraus, die er benutzt hatte, die
    Art, wie der Strick um ihre Gelenke geschlungen war. Sie spürte, dass der Strick ein wenig nach unten rutschte, er scheuerte jetzt an einer anderen Hautstelle. Ihr Blut fungierte als Schmiermittel.
    Sie würde hier rauskommen. Sie würde ihre eigene Hand absägen, wenn es sein musste.
    »Oh!« Sie keuchte auf, als ihre Hände abglitten, der Strick von der Scherbe rutschte und ihr die rasiermesserscharfen

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