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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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standen an der Haltestelle. Im Bus breitete sich ein strenger Geruch aus, als immer mehr Bauarbeiter dazukamen. Mexikaner, Asiaten, Schwarze. Bald war John der einzige Weiße im Bus.
    Er stieg aus, als die Straße schon fast wieder hübsch wurde. Dieser Teil der Moreland lag zwischen Brownwood und Grant Park. Inzwischen zogen wieder normale Familien hierher und beanspruchten dieses Innenstadtviertel für sich. Sie kümmerten sich um ihre Häuser, pflegten ihre Gärten und verlangten nettere Restaurants, sicherere Straßen als die früheren Bewohner. Vor sehr langer Zeit hatte John gelernt, dass es der Mittelklasse deshalb so gut ging, weil sie Besseres erwartete. Sie gaben sich nicht mit weniger zufrieden, als ihnen zustand. Sie stiegen einfach in ihre glänzenden Autos und fuhren dorthin, wo man ihren Wert zu schätzen wusste. Arme Leute hingegen waren es gewöhnt, nur zu nehmen, was man ihnen gab, und dafür auch noch dankbar zu sein.
    Es hatte aufgehört zu regnen, die Sonne spähte zwischen den Wolken hervor. John wollte die Moreland nicht wieder hinaufgehen, deshalb stieg er aus und lief zu Fuß durch das kleine Waldstück nach Brownwood Park. Er hatte sich diese Gegend im Stadtplan, den er in der Bücherei fand, herausgesucht und war jetzt froh zu sehen, dass die Straßen seinen Erwartungen entsprachen. Überall um ihn herum wurde gebaut, zweistöckige Villen überragten Ranchhäuser aus den Fünfzigern. Wie viel so etwas wohl kostete?, fragte sich John. Was für einen Job musste man haben, um in der Lage zu sein, sich ein
    eigenes Haus zu kaufen, Kinder in die Welt zu setzen, vielleicht einen netten Gebrauchtwagen zu fahren? Er konnte sich nicht vorstellen, wie viel Geld man dafür benötigte.
    Er ging auf der Taublib Street ins East Atlanta Village und war überrascht, einige nette Restaurants und ein Café zu entdecken, wo er mit verlassenen Gebäuden und Autowerkstätten gerechnet hatte. Es gab einige Boutiquen, eine Bäckerei und eine Tierhandlung. Er schaute ins Schaufenster, wo eine fette, orangefarbene Katze auf einer Tüte Hundefutter sonnenbadete. Eine Katze wäre nett, irgendein Tier, das ihm Gesellschaft leistete. Die Kakerlake, die Ms. Lam gefunden hatte, zählte da nicht wirklich. Aber das wäre ein Luxus für irgendwann in der Zukunft. Im Augenblick konnte John sich kaum selbst ernähren.
    An der Metropolitan Avenue ging er nach rechts, dann ein paar Blocks entlang und stand plötzlich vor dem Postamt von East Atlanta. John starrte das gedrungene, offiziell wirkende Gebäude an. Das Zeichen über dem Eingang zeigte dieselbe Postleitzahl wie die Kreditauskunft: 30316.
    Es herrschte ein reges Treiben, die Parkplätze vor und neben dem Gebäude waren voll, und trotz der Halteverbotsschilder standen die Autos sogar auf der Straße. Die Einfahrt des hellblauen viktorianischen Hauses neben dem Postamt war von einem großen Transporter versperrt.
    Es hatte wieder angefangen zu regnen, ein leichtes Nieseln, das den Himmel verdunkelte. John schlenderte etwa fünfzig Meter die Metropolitan hinunter, machte dann kehrt und ging zurück. Er sah viele Leute im Postamt ein und aus gehen und fragte sich, was er hier eigentlich wollte.
    Nachdem er dreißig Minuten auf der Straße hin und her gewandert war, erkannte John, dass nichts ihn davon abhielt, tatsächlich in das Postamt hineinzugehen. Seine örtliche Filiale war düster und roch ohne ersichtlichen Grund nach gebratenem Speck. Er füllte dort seine Zahlungsanweisungen für die Miete und den Staat aus, weil es von seiner Wohnung nur zehn Minuten zu Fuß war. In dem Viertel lebten viele Immigranten, und manchmal brachten Leute Hühner oder andere kleine Tiere, um sie weiß Gott wohin zu verschicken. Manchmal hörte er einen Hahn krähen, während er in der Schlange wartete.
    Die Filiale von East Atlanta war hell erleuchtet und sauber und strahlte irgendwie eine angenehme Atmosphäre aus. Direkt gegenüber dem Haupteingang befand sich die Wand mit den Postfächern, unten die großen, oben die kleinen. Links lag die Schalterhalle, in der zwei Frauen die Kunden
    bedienten, so schnell sie konnten. Die Schlange vor dem Briefmarkenautomaten reichte durch die gesamte Vorhalle. John zog einen unbeschrifteten Umschlag aus der hinteren Jeanstasche, stellte sich an und tat so, als würde er dazugehören. Zentimeter um Zentimeter bewegte sich die Schlange vorwärts, und John schaute erst zu den Postfächern hinüber, als er dicht vor den Glastüren stand, die in die

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