Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
einmal so reden hören, als Joyce zehn Jahre alt war und versucht hatte, auf dem Treppengeländer ins Obergeschoss zu balancieren.
    Sie schaute den drei Männern einem nach dem anderen in die Augen. »Bitte gehen Sie.«
    Paul Finney machte einen Satz auf John zu, aber der Polizist hielt ihn zurück.
    »Du Hurensohn«, bellte Mr. Finney. »Dafür wirst du gegrillt!«
    Mr. Finney war früher ein ziemlich erfolgreicher Ringer gewesen. Anders und Waller hatten alle Hände voll zu tun, um ihn von John abzuhalten. Schließlich mussten sie ihn tatsächlich aus dem Zimmer tragen. Während die Tür zufiel, schrie er noch: »Dafür wirst du bezahlen, du Arschloch.«
    Die Unterlippe seiner Mutter zitterte, als sie sich John wieder zuwandte. Merkwürdigerweise glaubte er, Mr. Finneys Flüche hätten sie so aufgeregt.
    Er fragte: »Wo ist Dad?« Richard war doch derjenige, der alles in die Hand nahm, alle Probleme löste. »Mom?«, fragte John. »Wo ist er?«
    Ihre Kehle bewegte sich, und sie fasste nach seiner Hand. »Hör mir gut zu«, sagte sie eindringlich. »Die kommen jetzt gleich wieder zurück und schaffen dich ins Gefängnis. »Wir haben nur ein paar Sekunden.«
    »Mom...«
    »Sag nichts«, unterbrach sie ihn und drückte seine Hand. »Hör mir zu.« Er nickte.
    »Sag der Polizei gar nichts. Sag ihnen nicht einmal deinen Namen. Sag ihnen nicht, wo du in dieser Nacht warst, sag ihnen nicht, was du zum Abendessen hattest.«
    »Mom...«
    »Pscht, Jonathan«, befahl sie und legte ihm ihre Finger an die Lippen. »Rede im Gefängnis mit keinem Menschen. Dort ist niemand dein Freund. Jeder schaut nur auf seinen Vorteil, und das solltest du auch. Sag auch am Telefon nichts, weil sie die Gespräche mitschneiden. Spitzel gibt's überall.«
    Spitzel, dachte John. Woher kannte seine Mutter nur dieses Wort. Woher wusste sie das alles, was sie eben gesagt hatte. Sie schaute sich ja nicht mal Kojak an, weil ihr die Serie zu brutal war.
    »Ich will, dass du mir eins versprichst, John«, fuhr sie fort. »Versprich mir, dass du mit keinem redest, bis Tante Lydia zu dir kommt.«
    Tante Lydia. Barrys Ehefrau. Sie war Anwältin.
    »John?«, fragte sie. »Versprichst du das? Kein Wort? Red nicht einmal übers Wetter. Hast du mich verstanden? Das ist das Wichtigste, was ich dir je gesagt
    habe, und du musst mir gehorchen. Rede mit
    keinem Menschen. Hast du mich verstanden?«
    Er fing an zu weinen, weil sie es tat. »Ja, Mama.«
    Die Tür ging auf, und Waller kam zurück. Ein Blick auf die Szene genügte - Mutter und Kind -, um ihn beinahe ein wenig sanft werden zu lassen. Es klang fast freundlich, als er zu Emily sagte: »Mrs. Shelley, Sie werden jetzt das Zimmer verlassen müssen.«
    Sie drückte John ein letztes Mal fest die Hand und sah ihn aus tränennassen Augen an. Aus irgendeinem Grund hatte er erwartet, dass sie sagte, sie liebe ihn, aber stattdessen formte sie stumm die Worte »mit niemandem«.
    Rede mit niemandem.
    Waller wartete, bis Emily den Raum verlassen hatte, dann griff er in seine Tasche und zog die Schlüssel für die Handschellen heraus. Der Augenblick der Sanftheit hatte sich so schnell verflüchtigt, wie er gekommen war.
    Er sagte zu John: »Hör zu, du kleiner Mistkerl. Du stehst jetzt auf, ziehst deine Klamotten an und hältst die Hände hinter den Rücken. Wenn du auch nur für eine Millisekunde Schwierigkeiten machst, kannst du was erleben. Hast du mich verstanden, du mörderischer, kleiner Scheißer?«
    »Ja«, sagte John, atemlos vor Angst. »Ja, Sir.«

Kapitel 13
    Das Coastal State Prison lag in der Nähe von Savannah in einer Stadt mit dem Namen Garden City, Georgia. Der Name klang wunderschön, nach einem hübschen Ort am Meer, wie man ihn auf Postkarten fand. Wer gerade dieses Fleckchen Erde für das Staatsgefängnis ausgesucht hatte, musste die Ent-scheidung für einen ziemlich guten Witz gehalten haben.
    Coastal war eine Hochsicherheitseinrichtung und erst wenige Jahre alt, als John dort eintraf. Nach zehn Jahren seiner Haft wurde sie umgebaut, um auch Gewaltverbrecher aufnehmen zu können. Heute bestand das Gefängnis aus sieben Gebäudeeinheiten mit je zwölf Zwei-Mann- und vierundzwanzig Vier-Mann-Zellen. Es gab vierundvierzig Einzelzellen, dreißig Disziplinierungszellen und fünfzehn Schutzhaftzellen. Im L-Bau waren über zweihundert Männer untergebracht, in N noch einmal hundert, und in O und Q gab es offene Schlafsäle mit nebeneinanderstehenden Pritschen wie in einem Armeequartier. Alles in allem

Weitere Kostenlose Bücher