Will Trent 01 - Verstummt
einige in den Neonlampen an der Decke. Die Kameras waren unübersehbar, sie schwenkten ständig hin und her und pickten verdächtige Besucher heraus. Hier drinnen konnte man nicht einmal einem Priester trauen.
Mit leiser Stimme erzählte John Ben über den Fernseher, die Kreditauskunft, das Postamt. Er erzählte ihm von dem Mann mit dem Regenschirm, nannte aber den Namen nicht, weil man ja nicht wusste, ob die Gerüchte stimmten.
Danach sagte Ben: »Verstehe.«
John lehnte sich zurück. »Was soll ich tun?«
Ben presste die vollen Lippen aufeinander und legte den Zeigefinger auf den schwarzen Fleck. »Diese Frage, mein Lieber, ist keine einfache.«
»Der will mich für irgendwas benutzen«, sagte John, und dann, weil er sich nicht ganz sicher war: »Oder?«
»Aber natürlich«, erwiderte Ben. »Für diese Art von Verhalten gibt es keinen anderen Grund. Absolut keinen.«
»Er benutzt mich als Tarnung.«
»Er will dir was anhängen, mein Lieber.«
John schüttelte den Kopf und beugte sich wieder vor. »Das ergibt keinen Sinn. Es fing vor sechs Jahren an. Vor sechs Jahren war ich noch hier drinnen. Das ist ein wasserdichtes Alibi.«
»Stimmt, stimmt«, meinte Ben und drückte sich weder den Finger an die Lippen. »Weiß er, dass du wieder draußen bist?«
John zuckte die Achseln. »Er könnte es herausgefunden haben.«
»Aber wusste er es?«, fragte Ben. »Ich muss dir sagen, mein Darling, es war sogar für mich eine Überraschung, dass du vor dem Begnadigungsausschuss so eloquent gesprochen hast. Wirklich sehr redegewandt.«
John nickte. Es hatte ihn selbst überrascht.
»Lass uns mal fragen, was wäre, wenn«, schlug Ben vor. »Was wäre, wenn dein Freund angenommen hatte, dass du hier in unserem kleinen Maison du Feces verrottest?«
»Okay.«
»Und was wäre, wenn er, zu seiner großen Überraschung, herausgefunden hätte, dass unser kleiner Darling rausgekommen ist?«
»Ja?«
»Und was wäre, wenn er sich von deiner Rückkehr bedroht fühlen würde?« Ben beugte sich vor. »Er hat offensichtlich irgendwas am Laufen.«
»Ja«, stimmte John ihm zu.
»Und er will nicht, dass du ihm dazwischenfunkst, oder?« »Genau.«
»Und, was macht er deshalb?«
Beide Männer verstummten, sie überlegten sich, was der nächste Schritt sein könnte.
»Ich weiß es nicht«, gab John schließlich frustriert zu. »Ich muss ihn finden.«
»Die normalen Wege hast du schon ausprobiert?«
»Ja.« Er hatte im Telefonbuch nachgesehen, aber der Kerl war nicht aufgeführt. Er hatte es sogar am Computer in der Bücherei probiert, war sich wie ein Idiot vorgekommen, als er die ausgedruckten Anweisungen für die Internetsuche Punkt für Punkt befolgte. Nichts.
John sagte: »Ich muss herausfinden, was er vorhat.«
Ben strich über die Stange Zigaretten, hob eine Ecke an. John wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. »Natürlich könnte ich die Kontakte aus meinem früheren Leben benutzen, um die augenblickliche Adresse des Kerls herauszufinden.«
»Du hast noch immer deine Leute?« John war überrascht, dass Ben das zugab, obwohl doch vermutlich mitgehört wurde. Es hatte zur Zeit von Bens Prozess »dem Fall nahestehende Quellen« gegeben, die behaupteten, er hätte den postinternen Versand benutzt, um seinen Fetischkollegen Souvenirs zu schicken.
Ben verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Durch Regen, Graupel oder Schnee... Aber du musst mir alles sagen, was ich wissen muss.«
Der Name. Er brauchte den Namen. John schaute sich um, öffnete den Mund, aber...
»Psch«, warnte Ben.
Wieder schlenderte eine Wache vorbei und blieb ihrem Tisch gegenüber stehen. Beide Männer verstummten erneut, und John starrte seine Hände an und fragte sich, ob es wirklich vernünftig gewesen war hierherzukommen. Aber mit wem sollte er sonst reden? Joyce konnte er in diese Sache nicht mit hineinziehen. Die einzigen Menschen, die er kannte, waren verurteilte Verbrecher und Huren.
Die Wache ging weiter, und Ben schnitt eine Grimasse. In vielerlei Hinsicht war dieser Mann für John wie ein Vater gewesen. Wir war es so weit gekommen? Wie konnte jemand, der so böse war, bei dem absolut keine Chance auf eine Besserung bestand, sein Freund sein?
Es gab keine Erklärung, außer man ging davon aus, dass Ben dachte, sie beide seien vom gleichen Schlag.
»Ich sag dir was«, erklärte Ben. »Ich habe ein Auto.«
»Was?«
»Es steht bei meiner Mutter. Ich rufe sie noch heute an und sag ihr, dass ein Freund kommt, um es sich
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