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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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auszuleihen.«
    Ben war bei dieser Sache schlauer als er. John machte immer nur einen Schritt nach dem anderen, dachte nie gründlich genug nach. Was wäre, wenn er die Adresse des Kerls herausfinden würde? Er konnte ihn ja kaum mit einem MARTA-Bus verfolgen.
    John fragte: »Fährt es noch?«
    »Früher fuhr Mutter jeden Sonntag damit zur Kirche, aber jetzt holt sie ihr Freund, Mr. Popson, ab«, antwortete Ben. »Beluha Carver. Ich nehme an, den Namen gibt's nur einmal. Sie wird dir den Schlüssel geben, aber sag ihr nicht, woher du mich kennst.«
    »Du bist seit fast dreißig Jahren im Gefängnis. Meinst du nicht, dass sie sich das denken kann?«
    »Ich hatte drei Jahre lang Männerbrustwarzen im Kühlschrank und hatte ihr gesagt, es ist Kräutermedizin gegen Haarausfall. Was meinst du?«
    John gab ihm recht.
    »Okay.« Ben schaute an John vorbei, und dann sprach er schnell und ohne seine gewohnte Masche. »Du musst den Mann beschatten«, sagte er. »Verfolge ihn und finde heraus, was er macht, wohin er geht. Alles passiert aus einem bestimmten Grund. Alles.« Er stand auf, als die nächste Wache vorbeikam. »Und jetzt geh, mein Lieber, und vielen Dank für das wunderbare Geschenk.« Er klopfte auf die Stange Zigaretten.
    Auch John stand auf. »Ben...«
    »Geh«, sagte er noch einmal, nahm John in den Arm und drückte ihn an sich.
    Die Wachen eilten sofort herbei - Körperkontakt war verboten -, aber Ben hielt ihn fest, und seine feuchten Lippen berührten Johns Hals knapp unter dem Ohr. Er lachte wie eine Hyäne, als sie ihn wegzerrten, hatte aber die Geistesgegenwart, sich die Stange Zigaretten zu schnappen.
    »Leb wohl, mein süßer Junge!«, rief Ben, als sie ihn zur Tür schleiften.
    John winkte und verkniff es sich, Bens Speichel wegzuwischen, bis der Mann durch die Tür verschwand.
    Nach etwa fünf Jahren seiner Haft hatte John Ben befragt, warum der ältere Mann bei ihm nie einen Annäherungsversuch gemacht hatte. John war damals um einiges kräftiger. Wie von seiner Mutter vorausgesagt, hatte sein Körper seine Hände und Füße schließlich eingeholt. Die Hanteln im Fitnessraum hatten seine Muskeln gestählt, und die vielen Haare auf seinem Körper hätten einen Eisbären wärmen können.
    Ben hatte nur die Achseln gezuckt. »Iss nicht dort, wo du scheißt.«
    »Nein«, hatte John ihm entgegengehalten, er wollte sich nicht mit einer sarkastischen Bemerkung abspeisen lassen. »Sag's mir. Ich will es wissen.«
    Ben war mit einem Kreuzworträtsel beschäftigt gewesen, zuerst verärgert, aber dann begriff er, dass John es ernst meinte, und legte die Zeitung beiseite.
    »Da ist keine Herausforderung dabei«, sagte Ben schließlich. »Ich mag den Reiz der Show. Ich bin ein Schauspieler auf einer Bühne und du...« er lächelte, »...du bist nur ein Bauer.«
    Doch diesmal hatte der Bauer Talent bewiesen. In den wenigen Sekunden, als Ben sein Gesicht an John drückte, hatte er ihm alles sagen können, was er wissen musste.

Kapitel 14
    Nachdem die Jury ihr Urteil verkündet hatte, wurde John in seine Zelle im Bezirksgefängnis zurückgebracht. Die Handschellen hatte man ihm nicht abgenommen, dafür aber den Gürtel und die Schnürsenkel, damit er nichts Verrücktes anstellte. Die Mühe hätten sie sich sparen können. Er war zu verstört, um auch nur einen Finger zu rühren, geschweige denn, sich zu überlegen, wie er sich in seiner winzigen eins fünfzig mal zwei vierzig Meter großen Zelle umbringen konnte.
    Zweiundzwanzig bis lebenslänglich. Zweiundzwanzig Jahre. Er wäre dreißig, bevor er zum ersten Mal vor den Begnadigungsausschuss käme. Er wäre ein alter Mann.
    »Es ist gut«, hatte seine Mutter mit Tränen in den Augen gesagt. Bei seiner Verhaftung hatte sie nicht geweint, aber jetzt ließ sie den Tränen freien Lauf. »Es ist gut, Baby.«
    Sie meinte damit, es sei gut, weil ihm die Todesstrafe erspart geblieben war. Ein Vierzehnjähriger in Massachusetts hatte eben nationale Schlagzeilen gemacht, weil er einen anderen Vierzehnjährigen mit einem Baseballschläger totgeschlagen hatte. In Texas war vor kurzem ein Zwanzigjähriger wegen eines Verbrechens, das er mit siebzehn beging, hingerichtet worden. Jugendliche Straftäter waren nichts Neues mehr. Anstelle eines Lebens hinter Gittern hätte John ebenso gut der Todestrakt bevorstehen können.
    »Wir können Einspruch erheben«, erklärte seine Mutter. »Es wird nicht lange dauern. Wir werden Einspruch erheben.«
    Tante Lydia, die hinter ihr stand,

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