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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Klimaanlage, und die Fahrt war holprig. Auf der ganzen Strecke klirrten Johns Ketten. John ging im Kopf Spiele durch, die er und Joyce auf Familienurlaubsfahrten nach Florida gespielt hatten: Wie viele Nummernschilder aus anderen Städten sah er? Wie viele Kühe weideten auf der einen Seite der Straße? Wie viele auf der anderen?
    Als sie die Außenbezirke Savannahs erreichten, war seine Blase so voll, dass ihm vor Schmerz die Tränen kamen. Er wusste instinktiv, dass es auf dieser Fahrt keine Pinkelpause geben würde, und hielt die Beine fest zusammengepresst, während der Bus das erste Tor des Gefängnisses passierte, dann das zweite und das dritte.
    Als er aufstand, spürte er einen stechenden Schmerz in der Blase, aber er war froh um die Fußfesseln, weil sie ihm einen Vorwand boten, die Beine zusammenzuhalten. Die Wache führte sie in das erste Gebäude, John an der
    Spitze. Der Mann hinter ihm trat immer wieder auf Johns Fersen, so dass er schneller gehen musste, obwohl seine Blase zum Bersten voll war.
    Sie wurden in einen offenen Toilettenraum mit einer Reihe Pissoirs geführt. Langsam wurde jeder einzelne Mann von den Hand- und Fußfesseln befreit. John war verlegen, wartete, bis ein anderer an ein Becken trat, bevor er es tat. Er spürte Blicke auf sich, als er nach unten griff, um den Reißverschluss seines Overalls aufzuziehen. Die Kluft war für einen Erwachsenen bestimmt, so dass ihm der Schritt irgendwo zwischen den Knien hing. Zuerst spielten ihm die Nerven einen Streich, doch dann schaffte er es, einen dünnen Strahl Urin abzulassen.
    »Sieht aus wie ein kleines Wiener Würstchen«, bemerkte der Mann neben ihm. Er starrte Johns Penis unverhohlen an. Als John zu ihm hochsah, grinste er und entblößte eine Reihe schiefer Zähne. »Da krieg ich ja Hunger allein schon vom Hinschauen.«
    »Schnauze«, befahl eine der Wachen. Das Namensschild auf seiner Uniform wies ihn als »Everett« aus. Er hielt seinen Schlagstock mit beiden Händen umfasst, als müsste er einen Massenansturm abwehren. »Alle ausziehen und an der schwarzen Linie aufstellen.«
    Johns Gesicht lief rot an. Seiner Jugend wegen hatte man ihn während des Prozesses im Bezirksgefängnis von den anderen Gefangenen isoliert. Die Wachen hatten ihn trotzdem viele Male durchsucht, aber noch nie in der Art und Weise. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie nackt vor einem Haufen Fremder gestanden. Seine Hände fühlten sich taub an, als er an den Knöpfen seines Overalls nestelte, und er vermied es, bei den anderen Männern nach unten zu schauen, aber natürlich blieb ihm nichts verborgen. Sie waren riesig - jeder einzelne. Es waren die Körper erwachsener Männer, voll mit Haaren. John war ein Spätzünder, er rasierte sich vielleicht einmal die Woche, wohl eher aus Wunschdenken denn aus Notwendigkeit. Neben diesen Männern wirkte er wie ein Mädchen, wie ein verängstigtes kleines Mädchen.
    Everett begann die Vorschriften zu verkünden. Er zählte auf, was sie tun durften und was nicht. Während er redete, ging eine andere Wache mit einer Taschenlampe hinter den Männern entlang und befahl jedem Einzelnen, sich zu bücken und die Hinterbacken für eine Inspektion auseinanderzuziehen. Ein anderer Mann zog Gummihandschuhe an und steckte jedem den Finger in den Mund, um ihn nach Schmuggelgut oder Waffen abzutasten. Ein dritter spritzte sie mit einem Schlauch ab und besprühte sie dann mit Entlausungspuder.
    Jeder bekam nun eine weiße Hose und ein weißes T-Shirt. John erhielt ein extrakleines T-Shirt, aber seine Hose war groß
    genug für einen Elefanten. Er raffte sie beim Gehen an der Taille zusammen, so dass er Bettzeug und Kissen samt den wenigen Toilettensachen, die man ihnen ausgehändigt hatte, obendrauf in einer Hand tragen musste.
    Er bewegte sich wie in einem Nebel, starrte stur geradeaus und versuchte, nicht zu kotzen.
    »Shelley«, sagte Everett und drückte die Spitze seines Schlagstocks an die Außenseite einer geöffneten Zellentür.
    John betrat die Zelle. Sie stank nach Urin und Kot von dem Edelstahlklo in der Ecke. Das fest mit der Wand verschraubte Waschbecken war einmal weiß gewesen, doch Rost und Dreck hatten es mit einem schmutzig grauen Belag überzogen. An der linken Wand stand ein Tisch, an der rechten ein Etagenbett mit zwei Pritschen. Wenn man sich in der Mitte der Zelle befand und die Arme ausstreckte, konnte man beide Seitenwände berühren. Ein etwa fünfundzwanzigjähriger Typ lag auf der oberen Pritsche und

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