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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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behalten. Bei seiner Verhaftung im Hauptpostamt von Atlanta, wo er achtzehn Jahre lang als Briefsortierer gearbeitet hatte, war einer der Bullen ein wenig übereifrig gewesen und hatte ihn zu Boden geworfen. Ein Gewebebrocken, der später als die rechte Brustwarze seines letzten Opfers identifiziert wurde, flog aus Bens Mund. Er hatte daran genuckelt wie an einem Fisherman's Friend.
    Dieses grausige Detail sorgte zusammen mit Bens passendem Nachnamen Carver, Schnitzer, für ein gigantisches Medienecho. Im Gegensatz zu John hatte er es sogar in die nationalen Nachrichten geschafft und erhielt seinen
    persönlichen Spitznamen: der Atlanta-Schnitzer. Ben hatte diesen Namen nie sonderlich gemocht, aber er war auch wütend auf Wayne Williams -den Mann, der im Fall der Atlanta-Kindermorde verurteilt wurde -, weil er ihn nach seiner Verhaftung von den Titelseiten verdrängte.
    »Mein lieber Junge«, sagte Ben und lächelte sein dünnes Lächeln, während er John musterte. Seine Lippen waren feucht und zeigten in der Mitte, wo normalerweise eine Zigarette steckte, einen schwarzen Fleck. Seine Zähne sahen ähnlich verfärbt aus, das Nikotin hatte ein Bull's Eye direkt auf die Schneidezähne gemalt. Eins der ersten Dinge, die Ben John erzählt hatte, war, dass er eine orale Fixierung habe. »Besser Zigaretten als deine rechte Brustwarze, mein lieber Junge.« Danach hatte John sich nie über sein Rauchen beklagt.
    »Und«, sagte Ben.
    John stand am Tisch und wusste nicht so recht, ob er sich setzen sollte. »Du siehst gut aus.«
    »Natürlich sehe ich gut aus.« Er tat so, als würde er sich die Haare glattstreichen, die so gut wie nicht vorhanden waren.
    Obwohl Ben in Schutzhaft saß, gab es in diesem Flügel keinen wirklichen Besuchsraum, weshalb er bei den wenigen Besuchen, die er bekam, mit der Normalbevölkerung der Gefangenen in einem Saal sitzen musste. Jeder Gefangene aus der geschlossenen Abteilung für Geistesgestörte war während solcher Besuche in höchstem Maß gefährdet. Er musste sich darauf verlassen, dass seine Mitgefangenen entweder zu abgelenkt von ihren Huren oder zu respektvoll ihren Ehefrauen gegenüber waren, um ein Messer zu ziehen und ihm den Bauch aufzuschlitzen.
    John sagte: »Ich musste dich sehen.«
    Ben machte »Ts-ts«, und John versuchte nicht daran zu denken, was der Mann in seinem Mund hätte, würde er noch frei herumlaufen. »Habe ich dir nicht gesagt, dass du nie mehr in dieses Höllenloch zurückkehren sollst?«
    »Es tut gut, dich zu sehen«, sagte John und meinte es ernst. Seit seiner Entlassung hatte er kein freundliches Gesicht mehr gesehen.
    »Na«, sagte Ben und schmatzte. »Was hast du mir mitgebracht?«
    John holte die Stange filterloser Camels aus der Tüte.
    »Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen!« Ben drückte sich die Stange an die Brust. »Mein Süßer, bitte setz dich. Du weißt doch, dass ich es nicht mag, wenn einer vor mir steht, auch wenn ich so eine prächtige Aussicht auf dein Päckchen habe.«
    John setzte sich, peinlich berührt von Bens Anzüglichkeit. Er hatte ganz vergessen, wie Ben mit ihm redete, wie er einem das Gefühl vermittelte, schmutzig zu sein, auch wenn er nur nach der Zeit fragte. John musste sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass das zu Bens Rollenspiel gehörte, dass es seine Art war, den Tag zu überstehen, ohne sich die Kehle aufschlitzen zu lassen.
    »Oprah macht heute mal wieder, was sie am liebsten macht«, vertraute Ben ihm an.
    Oprah Winfrey, die einzige Sendung, auf die sich der ganze Zellenblock einigen konnte.
    »Wird sicher eine gute Sendung«, meinte John. Danach schwieg er, denn eine Wache ging vorbei und blieb einige Zeit in der Nähe ihres Tisches stehen, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte.
    »Also«, sagte Ben. »Du weißt, dass ich es nicht lange ohne Nikotin aushalten kann. Was ist dein Begehr?«
    John beugte sich vor und legte die Hände flach auf den Tisch, so dass die Wache sehen konnte, dass er nichts Unerlaubtes tat. »Ich habe ein Problem.«
    »Das habe ich mir fast gedacht.«
    Die Wache war weitergegangen. John verkniff es sich, über die Schulter zu schauen. Ben sondierte die Lage hinter ihm, so wie John die Leute hinter Ben im Auge behielt.
    »Teuerster«, sagte Ben, »wir sollten nicht vergessen, dass die Wände Ohren haben.«
    Oder eher die Tische. John wusste nicht so recht, ob es stimmte oder nicht, aber jeder im Gefängnis glaubte, dass es überall im Besuchersaal Wanzen gab - einige unter den Tischen,

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