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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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anrief und ihn verhaften ließ, dass sie noch immer lachen musste, wenn sie an den dümmlichen Ausdruck auf seinem Gesicht dachte. Paul, Nick, Danny, Julian, Darren... Es hatte sogar einen Horatio gegeben, aber das ging nur eine Woche gut. Alles in allem hatte sie es mit keinem lange ausgehalten, und immer war sie wieder auf Wills Türschwelle gelandet und hatte sein Leben ruiniert, bis sie einen anderen Mann fand, von dem sie hoffte, dass er sie vor ihm rettete.
    Angie stellte das Auto in der Einfahrt ab. Der Motor stotterte nach, auch nachdem sie den Schlüssel aus dem Zündschloss gezogen hatte, und sie dachte zum millionsten Mal, dass sie die arme Kiste in die Werkstatt bringen müsse. Das Auto leckte wie eine alte Dame, und der Auspufftopf hing nur noch an einem seidenen Faden, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden,
    einen Fremden an den Motor zu lassen, den Will mit seinen eigenen Händen instand gesetzt hatte. Er brauchte ungefähr sechs Stunden, um die Morgenzeitung zu lesen, aber einen Motor konnte er mit verbundenen Augen zerlegen und wieder zusammensetzen. Ob es eine Taschenuhr oder ein Klavier war, Will konnte alles reparieren, was bewegliche Teile besaß. Einen Fall betrachtete er auf die gleiche Weise - wie die Einzelteile zusammengesetzt waren, damit das Verbrechen funktionierte -, und er war einer der besten Agenten, über die das Bureau verfügte. Wenn er nur seinen rasiermesserscharfen Verstand auch auf sein eigenes Leben hätte anwenden können.
    Der Bewegungsmelder sprang an, als sie zur Hintertür ging und den Schlüssel ins Schloss steckte. Rob. Wie hatte sie Rob vergessen können, mit seinen karottenfarbenen Haaren, dem süßen Lächeln und seiner Spielsucht? Das ergab dann elf Männer, elfmal, dass sie Will verlassen, und elfmal, dass Will sie wieder aufgenommen hatte.
    Scheiße, und die Frauen hatte sie noch gar nicht mitgezählt.
    Angie schaltete das Küchenlicht an und drückte die Tasten der Alarmanlage. Will liebte sie wirklich. Da war sie sich ganz sicher. Auch wenn sie sich stritten, achteten sie immer sehr darauf, nicht zu weit zu gehen, nicht dieses Eine zu sagen, das zu tief gehen, zu sehr verletzen und alles endgültig machen würde. Sie wussten alles übereinander - oder zumindest alles, was wichtig war. Falls ihr jemand eine Waffe an den Kopf hielte und von ihr verlangte zu erklären, warum sie und Will letztendlich immer wieder zusammenkämen, würde Angie sterben, ohne die Antwort zu wissen. Da auch Will kein großer Selbstbeobachter war, müsste er wahrscheinlich dasselbe Schicksal erleiden.
    Sie holte eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, ging in den hinteren Teil des Hauses und versuchte erfolglos, nicht an Will zu denken. Während sie sich auszog, hörte sie ihren Anrufbeantworter ab. Ein Teil von ihr hatte erwartet, dass er anrief, aber der andere wusste, dass er es nicht tun würde. Sie anzurufen wäre eine impulsive Handlung gewesen, und Will war nicht impulsiv. Er mochte die Routine. Spontaneität war etwas für Leute in Filmen.
    Angie drehte die Dusche auf und betrachtete sich im Spiegel, während sie den Rest auszog. Sie konnte ihren Körper nicht anschauen, ohne an Wills Körper zu denken. Auch sie hatte ihren Anteil an Misshandlungen durch Pflegeltern und Stiefväter erlebt, aber alle ihre Narben befanden sich in ihrem Inneren. Im Gegensatz zu Will gab es keine Narbe im Gesicht, keine Verbrennungen von Zigaretten und Schnitte, wo besoffene Brutalos beschlossen hatten, ihre Wut
    an einem wehrlosen Kind auszulassen. Sie hatte keine gezackte Narbe an ihrem Bein, wo ein offener Bruch sechs Operationen erforderte. Und ihr Arm wies
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    auch nicht die noch immer rosige Linie auf, wo eine Rasierklinge so tief in Wills Fleisch geschnitten hatte, dass er beinahe daran verblutet wäre.
    Begegnet waren sie sich im Atlanta Children's Home, einem Kinderheim, das eigentlich nichts anderes war als ein Waisenhaus. Der Staat versuchte, die Kinder in Pflegefamilien unterzubringen, aber die meisten kamen mit neuen Verletzungen, neuen Horrorgeschichten wieder zurück. Ms. Flannery leitete das Heim, und es gab drei Assistenten, die sich um die jeweils etwa hundert dort lebenden Kinder kümmerten. Im Gegensatz zu dem Dickens'schen Bild, das dies heraufbeschwor, sorgten sich die Leute so engagiert um ihre Schutzbefohlenen, wie das angesichts der Tatsache, dass sie unterbesetzt und unterbezahlt waren, möglich war. Soweit Angie wusste, hatte es dort nie irgendwelche

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